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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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nicht Zeit gehabt, irgendein Mädchen kennen zu lernen, um sie zu wählen, teils hatte er eine gewisse Abneigung gegen das weibliche Geschlecht. Er war auf dem Rückwege aus Frankreich, und sein Diener, derselbe Soldat, den er in den Krieg mitgenommen hatte, war beschäftigt, die Sammlung alter und schöner Waffen, die Hugo auf seinen Zügen erworben hatte, in Ordnung zu bringen, um sie ohne Schaden und Verlust in die Heimat zu schaffen.
    In einer kleinen Stadt Frankreichs, deren Namen wir nicht näher anzugeben vermögen, aber sie liegt schon sehr nahe an unserer deutschen Grenze, war es einmal im späten Herbste, daß Hugo mit mehreren Kriegsleuten höheren Ranges auf dem Balkone eines Hauses stand, in dem man ihnen ein unaufrichtiges Fest gegeben hatte. Sie standen, wie es nach einem Mahle gebräuchlich ist, müßig und ergötzten sich mit Herumschauen und Sprechen. Da fuhr unten ein Wagen vorbei, dessen schöne braune Pferde bewundert wurden. Hugo aber sah in dem Wagen jenen Greis sitzen, der ihn einstens in die Kirche von Sankt Peter zu gehen gebeten hatte. Er hatte den Mann längst vergessen gehabt, aber wie er ihn hier fahren sah, erkannte er ihn augenblicklich wieder. Er fragte die Umstehenden und mehrere aus dem Hause, wem der Wagen gehöre, und wer der Mann sei, der darinnen gesessen ist. Die einen wußten es nicht, und die andern hatten keinen Wagen vorbei fahren gesehen.
    Hugo achtete nicht weiter darauf; denn im Kriege war er an ganz andere und wunderlichere Zufälle gewöhnt worden, als daß er einem Dinge Bedeutung zugeschrieben hätte, das ihn nur in seiner Jugend angelockt hatte, eben weil er jung war.
    Als man von dem Gespräche auf dem Balkone auseinander gegangen war, wo man noch die Nachricht empfangen hatte, daß in drei Tagen eine erwartete Abteilung eintreffen und man dann vereint den Marsch weiter fortsetzen werde – und als Hugo hierauf in seine Wohnung zurückgekehrt war, fand er dort einen Diener mit einem Briefe auf sich warten. Der Mensch sagte, er müsse eine Antwort mit sich fortnehmen. Hugo öffnete das Blatt und erkannte die Schriftzüge Cölestens. Sie war zwar nicht unterschrieben aber in den Worten: ›wenn er noch an ein Häuschen denke, um welches viele Linden gestanden seien‹ erkannte er sie, wenn er auch an der Schrift noch gezweifelt hätte. Das Blatt enthielt die Bitte, er möchte, sobald es ihm möglich sei, zu dem Schreiber dieser Zeilen auf Schloß Pre zu Besuch kommen, wenn es auch nur kurz sei, er werde sehnlich erwartet.
    Hugo schrieb auf ein Blatt, er werde morgen um drei Uhr nachmittags, wo ihn der Dienst entlasse, von hier nach Schloß Pre hinüber reiten. Er siegelte das Blatt und gab es dem Diener.
    Obgleich im tieferen Frankreich in der Abteilung, bei der Hugo stand, schon zwei Mal der Fall vorgekommen war, daß deutsche Krieger auf unbegreifliche Weise verschwunden waren, weshalb jedes einsame Ausgehen oder Ausreiten verboten war: so ritt er doch, da es drei Uhr des andern Tages nachmittags schlug, zum Tore des Städtchens hinaus. Er kannte Furcht als Beweggrund nicht. Er ritt sogar ganz allein, und hatte auch vorher niemanden gesagt, wohin er sich begebe, damit er den Ruf des weiblichen Wesens, von dem er den Brief habe, nicht gefährde.
    Außer dem Städtchen dehnte sich eine ziemlich breite Haide, über welche er sprengte, was nur sein Rappe auszugreifen vermochte. Hierauf kam er über die sanfte Wölbung eines baumlosen Rückens, jenseits dessen man ihm Schloß Pre bezeichnet hatte. Die Gegend war sehr öde, und weit und breit war kein Haus. Als er die Schneide des Rückens erreicht hatte, sah er in eine schöne Talwiese hinab, auf welcher viele Eichen standen und unter ihnen das Schloß. Es war ein wenig düster, und mit veralteter, schwerer Baupracht der Lehenszeiten blickte es auf die öde Landschaft hinaus. Hugo ließ sein Pferd den Abhang hinab gehen und kam an dem Schlosse an.
    Unter einem leichten Schauer der Erwartung ritt er durch das schwarze Tor ein, das hinter ihm das Gitter fallen ließ, weil man sich noch immer vor streifendem Gesindel fürchtete. Er dachte, da er an dem Mauerwerke des Hofes empor schaute, ob nicht hinter jenen Fenstern oben eben so ein Herz poche, wie hier unten das seine. Derselbe Diener, der ihm den Brief gebracht hatte, nahm ihm das Pferd ab, zwei andere rissen die Türen auf, dahinter erwartete ihn ein feingekleideter Mann, der ihn die schönen Treppen hinauf geleitete, durch prachtvolle Gemächer führte, und endlich

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