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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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Kapitel 1

    M ay stolperte in ihren Doc Martens über die Schwelle des Warteraums. Es roch nach abgestandenem Zigarettenrauch. Fünf Frauen, alle offenbar halbtot vor Langeweile, sahen auf und dann sofort wieder weg.
    »Hi«, sagte May. »Bin ich hier richtig bei Quality Cleaners?«
    Eine Frau nickte. Sie hatte zweifarbig getönte Haare und erweckte alles in allem den Eindruck, als verstehe sie sich darauf, einen Staubsauger zu schwingen. »Da vorn liegt ein Stapel Fragebögen. Sie müssen einen ausfüllen.«
    May nahm eines der Formulare. »Meine Güte, der ist ja endlos lang.«
    »Ja«, stimmte die Frau zu. »Wenn Sie ihn fertig ausgefüllt haben, müssen Sie ihn unter der Tür durchschieben.«
    »Oh, wie ungewöhnlich.« May hatte keine Handtasche dabei und klopfte ohne große Hoffnung ihre Taschen ab. »Ähm, kann irgendwer mir einen Kuli leihen?«
    Ein paar Sekunden rührte sich niemand, dann legte eine Frau, die etwa in Mays Alter war, ihr Buch beiseite. May warf einen kurzen Blick darauf und erkannte den Titel. Das Buch war für den Booker Prize nominiert.
    »Augenblick, hier.« Die junge Frau durchwühlte ihre ausgebeulte Schultertasche und förderte einen Füllfederhalter ans Licht.
    May betrachtete sie ein bißchen genauer. Was für eine Putzfrau – oder potentielle Putzfrau – las ernste, zeitgenössische Literatur und schrieb mit einem Füller? Dann schalt sie sich für die Vorurteile, die sie Putzfrauen gegenüber offenbar hegte, und im selben Moment entdeckte sie unter dem Stuhl des Mädchens eine Reisetasche, die noch recht neu aussah, einen Koffer und ein kleines Beautycase. Unter normalen Umständen wäre May neugierig gewesen zu erfahren, warum jemand mit Gepäck zu einem Vorstellungsgespräch kam, aber jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt für müßige Spekulationen, jetzt galt es erst einmal, ihr Formular auszufüllen. Sie lächelte und nahm den Füller.
    »Danke.«
    In der Regel ging immer irgend etwas schief, wenn May ein Formular in Großbuchstaben ausfüllen mußte, aber dieses Mal gab sie sich besondere Mühe. Sie mußte diesen Job unbedingt kriegen. Gutbezahlte Jobs für Leute ohne Ausbildung waren schließlich so rar wie Rubine – und für May unvergleichlich viel kostbarer.
    Als sie sich schließlich Antworten für fast alle der vielen Fragen ausgedacht hatte, gab sie den Füller zurück. Sie setzte ein Ich-bin-nett-bitte-rede-mit-mir-Lächeln auf, doch die Lippen der jungen Frau verzogen sich nur ganz kurz nach oben, ehe sie sich wieder in ihr Buch vertiefte. Damit war die Chance auf eine Unterhaltung vertan, und May nahm statt dessen die Konkurrenz in Augenschein.
    Da war die Frau, die ihr die Formulare gezeigt hatte. Sie war älter als May, möglicherweise zu alt, um der Einstellungsvoraussetzung »jung und enthusiastisch« aus der Stellenanzeige zu entsprechen. Neben ihr saß eine Mutter mit einem Kleinkind auf dem Schoß, zweifellos jung, aber die dunklen Ringe unter ihren Augen und ihr unendlich erschöpftes Gesicht schienen darauf hinzudeuten, daß es bei ihr mit dem »Enthusiasmus« ein bißchen hapern könnte.
    Dann die Frau, die ihr den Stift geliehen hatte. Sie war jung, offensichtlich intelligent, aber in ihrem marineblauen Kostüm, den kleinen Perlenohrringen und dem schwarzen Samthaarband wirkte sie ganz entschieden zu ladylike, um sich als Putzhilfe zu bewerben.
    Na ja, ich sehe selber auch nicht gerade typisch aus, dachte May und unterzog ihre eigene Erscheinung zum ersten Mal einer kritischen Begutachtung. Sie trug ihre besten Arbeitshosen, die nur ein paar ganz winzige blaue Farbspritzer hatten, und ihr Pullover war sauber, wenn auch an den Bündchen etwas ausgeleiert. Leuchtend rote Socken lugten aus den noch halbwegs glänzenden Doc Martens.
    Sie seufzte. Auf dem Boot hatte sie keine ihrer eleganteren, konventionelleren Kleidungsstücke, und sie war Hals über Kopf zu diesem Vorstellungstermin aufgebrochen, kaum daß sie die Annonce entdeckt hatte, als sie gerade mit der Zeitung den Ofen anzünden wollte. May war eigentlich nicht abergläubisch, aber es schien doch, als reiche ihr das Schicksal eine helfende Hand. Sie hatte die nächste U-Bahn genommen, ehe ihr all die »Gelegenheiten, in einem Team zu arbeiten« vor der Nase weggeschnappt wurden. Doch sie hatte das Gefühl, daß sie selbst in der passenden Kleidung Schwierigkeiten gehabt hätte, die Manager dieser »neuen Niederlassung eines etablierten Unternehmens« davon zu überzeugen, daß sie die ultimative

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