Werke
höre mich ruhig. – Das glänzende Haus entstand aber nicht. Schon am ersten Tage unserer Ehe, weil damals in Frankreich eben die schweren, traurigen Zeiten waren, mußte er sich flüchten, und ich wurde später zu ihm über eure Grenze geliefert. Seine Güter und auch die meinigen waren in den Händen seiner Gegner. Er war über diese Dinge sehr erbittert. Die große Summe, die er gerettet und mit sich genommen hatte, deuchte ihm nichts, und sein Groll wuchs täglich. Er verachtete seine Gegner unglaublich, und war der Meinung, daß eine Herrschaft dieser Art nur kurz dauern könne und die alte Ordnung der Dinge sich wieder herstellen werde. Darum sagte er oft, wenn ihn seine Lage peinigte: ›Das alles muß wieder kommen!‹ – Aber über eines war er trostlos und verzweifelnd: ich blieb nämlich kinderlos – –ach, Hugo, dasselbe Weib, das dein Entzücken und deine Wonne war, mußte körperliche Mißhandlung dulden. – – Ich lag oft auf den Knieen vor der gebenedeiten Jungfrau, ich, ein wehrloses, unschuldiges Opfer, das nie etwas anderes gekannt hatte als die Mauern meines Erziehungshauses und die starren Mienen meines Gatten, ich lag auf den Knieen und bat um die Erfüllung seines Wunsches – umsonst – da tat ich das Gelübde, meine Schönheit, auf die ich sonst so eitel gewesen war, zu vertilgen; ich versprach der heiligen Jungfrau, daß ich täglich in den Kleidern einer Matrone und mit dichtem, herabgelassenem Schleier zu Fuße in die Messe gehen und vor dem Altare knieen wolle, bis kein Mensch mehr in der Kirche sei, damit der Himmel den Fluch von mir nehme. – Das tat ich mehrere Jahre – allein der Fluch wurde nicht von mir genommen. Mein Gatte wurde immer härter – ach, Hugo, als ich dein großes, schönes Herz kennen lernte, wußte ich erst, welch ein Tyrann er gewesen war – aber früher litt ich alles, weil ich nicht anders wußte, als daß er mein Gemahl sei, und daß ich ihm gehorsamen müsse. Er wurde krank, langsam fiel er dem Grabe entgegen – und seine Ungeduld und sein Grimm wuchsen immer mehr. Zwei Dinge waren es, die vorzüglich an seinem Herzen fraßen: zuerst, daß in Frankreich die alte Ordnung immer nicht zurückkehren wollte – und zweitens, daß er mich aufstiefste verachtete.
In jener Zeit geschah es, daß er eines Entwurfes willen, in den er sich eingelassen hatte, heimlich nach Frankreich reisen mußte. Er schnürte seine Sachen, bestieg den Wagen und ließ mich in eurer Stadt zurück. Damals trat nun der Versucher an mich. – –
Ach, Hugo, ich will dir alles, alles sagen – aber an dem, was Dionys vorschlug, war ich so wahrhaftig unschuldig, so wahrhaftig es eine ewige Seligkeit im Himmel gibt. Dionys war der Haushofmeister meines Vaters gewesen, er wurde nach dem Tode desselben der meinige, und war mein Ratgeber und Freund. Wenn ich sagen sollte, daß er mir bis dahin je das geringste Unrecht vorgeschlagen habe, würde es eine Lüge sein; aber der inbrünstige Haß gegen meinen Gatten und die große Liebe gegen mich mußten den alten Mann verblendet haben. Da ich durch die Entfernung meines Gemahls allein in seiner Obhut zurückgelassen war, erzählte er mir eines Tages eine Geschichte von einer Frau, die an einen harten greisen Mann geschmiedet gewesen war und vieles Unglück erduldet habe. Da sei ihr ein schöner Jüngling erschienen, sie habe schöne Kinder gehabt und habe das künftige Wohl des Hauses gegründet. Viel später sagte er einmal, daß er einen jungen blonden Mann kenne – weil mein Gatte auch blond war – der so schön und so unschuldig sei; wenn mich dieser einmal erblickte, so würde er gewiß in heißer, innerster Liebe gegen mich entbrennen. – Da er aber sah, daß ich die Rede nicht verstand und befremdet war, schwieg er von da an stille, und ich bemerkte, daß er sich nun von mir zurück zog. – – O Hugo! seine Worte mochten eine Vorbedeutung gewesen sein.«
Dem zuhörenden Manne öffneten sich seine inneren Augen, er sah auf das erzählende Weib, unterbrach es aber nicht.
Sie fuhr fort: »Wenige Wochen nach diesem Gespräche, das ich doch nicht ganz vergessen konnte, sah ich dich! Ich habe an jenem Morgen ernstlich geglaubt, daß niemand mehr in dem Gotteshause sei, und ging mit gehobenem Schleier, weil es unter demselben schwül war, gegen die Pforte zurück – da standest du im hintern Teile des Chores – wir sahen uns – ich bemerkte gleich, daß du mich anblicktest, und ließ den Schleier über das Gesicht fallen. –
Weitere Kostenlose Bücher