Werke
sein, war aber jetzt ein Bild der Ruhe und, ich möchte sagen, der Vergebung. Ich weiß nicht, warum mir in den Tagen dieser Ausdruck schon mehrere Male einfiel. Sie sprach von den Gegenständen, welche von den Besuchenden vorgebracht wurden, brachte aber nie ihre eigenen Gegenstände zum Gespräche. Sie sprach mit Einfachheit, ohne von den Gegenständen beherrscht zu werden, und ohne die Gegenstände ausschließlich beherrschen zu wollen. Mein Gastfreund ging in die Ansichten seines Gutsnachbars ein und redete in der ihm eigentümlichen klaren Weise, wobei er aber auch die Höflichkeit beging, den Gast die Gegenstände des Gespräches wählen zu lassen.
So saßen diese zwei Abteilungen von Menschen an demselben Tische und bewegten sich in demselben Zimmer, wirklich zwei Abteilungen von Menschen.
Daraus, daß sie gerade zur Rosenblüte herauf gefahren waren, erkannte ich, daß die Nachbarn meines Gastfreundes nicht bloß um seine Vorliebe für diese Blumen wußten, sondern daß sie etwa auch Anteil daran nahmen.
Es wurde nach dem Essen nicht mehr ein Spaziergang gemacht, wie in diesen Tagen, sondern man blieb in Gesprächen bei einander, und ging später, als es sonst in diesem Hause gebräuchlich war, zur Ruhe.
Am anderen Morgen wurde das Frühmahl in dem Garten eingenommen, und nachdem man sich noch eine Weile in dem Gewächshause aufgehalten hatte, fuhren die Gäste mit der wiederholt vorgebrachten Bitte fort, sie doch auch recht bald auf ihrem Gute zu besuchen, was zugesagt wurde.
Nach dieser Unterbrechung gingen die Tage auf dem Rosenhause dahin, wie sie seit der Ankunft der Frauen dahin gegangen waren. Die Zeit, welche jedes frei hatte, brachten wir wieder öfter gemeinschaftlich zu. Ich wurde nicht selten in diesen Zeiten ausdrücklich zur Gesellschaft geladen. Natalie hatte auch ihre Lernstunden, welche sie gewissenhaft hielt. Gustav sagte mir, daß sie jetzt Spanisch lerne und spanische Bücher mit hieher gebracht habe. Ich hatte doch den Raum, welchen man mir in dem sogenannten Steinhause eingeräumt hatte, benützt, und hatte mehrere meiner Gegenstände dort hingebracht. Gustav las bereits in den Büchern von Goethe. Sein Ziehvater hatte ihm Hermann und Dorothea ausgewählt und ihm gesagt, er solle das Werk so genau und sorgfältig lesen, daß er jeden Vers völlig verstehe, und wo ihm etwas dunkel sei, dort solle er fragen. Mir war es rührend, daß die Bücher alle in Gustavs Zimmer aufgestellt waren, und daß man das Zutrauen hatte, daß er kein anderes lesen werde, als welches ihm von dem Ziehvater bezeichnet worden sei. Ich kam oft zu ihm, und wenn ich nach der Kenntnis, die ich bereits von seinem Wesen gewonnen hatte, nicht gewußt hätte, daß er sein Versprechen halten werde, so hätte ich mich durch meine Besuche von dieser Tatsache überzeugt. Mathilde und Natalie standen oft dabei, wenn mein Gastfreund für seine gefiederten Gäste auf der Fütterungstenne Körner streute, und nicht selten, wenn ich des Morgens von einem Gange durch den Garten zurückkam, sah ich, daß bei der Fütterung in dem Eckzimmer, an dessen Fenstern die Fütterungsbrettchen angebracht waren, eine schöne Hand tätig sei, die ich für Nataliens erkannte. Wir besuchten manchmal die Nester, in welchen noch gebrütet wurde oder sich Junge befanden. Die meisten aber waren schon leer,und die Nachkommenschaft wohnte bereits in den Zweigen der Bäume. Oft befanden wir uns in dem Schreinerhause, sprachen mit den Leuten, betrachteten die Fortschritte der Arbeit, und redeten darüber. Wir besuchten sogar auch Nachbaren und sahen uns in ihrer Wirtschaftlichkeit um. Wenn wir in dem Hause waren, befanden wir uns in dem Arbeitszimmer meines Gastfreundes, es wurde etwas gelesen, oder es wurde ein geistansprechender Versuch in dem Zimmer der Naturlehre gemacht, oder wir waren in dem Bilderzimmer oder in dem Marmorsaale. Mein Gastfreund mußte oft seine Kunst ausüben und das Wetter voraussagen. Immer, wenn er eine bestimmte Aussage machte, traf sie ein. Oft verweigerte er aber diese Aussage, weil, wie er erklärte, die Anzeigen nicht deutlich und verständlich genug für ihn seien.
Zuweilen waren wir auch in den Zimmern der Frauen. Wir kamen dahin, wenn wir dazu geladen waren. Das kleine, letzte Zimmerchen mit der Tapetentür gehörte insbesondere Mathilden. Ich hatte es Rosenzimmer genannt, und es wurde scherzweise der Name beibehalten. Mir war es ein anmutiger Eindruck, daß ich sah, wie liebend und wie hold dieses Zimmer für
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