Werke
Sommermonate die heißesten und trockensten sind, so war noch ein großer, glänzender und auserlesener Besuch zugegen. Darunter waren manche sehr schöne Mädchen. Herr Tiburius, weicher nicht umhin konnte, doch manchmal eine zu sehen, erinnerte sich flüchtig an die Heiratsworte des Doktors – aber er dachte, der Doktor sei ein Schalk, und verlegte sich hier nur auf das, was seiner Gesundheit unmittelbar not tat. Er las allgemach von dem Bücherhügel ein großes Stück herunter, er verrichtete genau alles, was ihm der Badearzt vorgeschrieben hatte, und tat noch manches andere dazu, was er selber aus den Büchern lernte und sich verordnete. Er hatte sich auch an seinem Fensterstocke ein Fernrohr angeschraubt und betrachtete durch selbes öfter die närrischen Berge, die hier herum standen, und die das Gestein in höchster Höhe oben trugen.
Es war seltsam, daß auch hier in dieser großen Entfernung, und zwar schon in sehr kurzer Zeit, nachdem Herr Tiburius angekommen war, der Name Tiburius im Munde der Leute gebräuchlich war, obwohl in dem Fremdenbuche der Name Theodor Kneigt stand, und obwohl ihn niemand kannte. Es mochten ihn wohl insgeheim seine Diener so genannt haben.
Es waren allerlei Menschen und Familien in dem Bade. Da war ein alter hinkender Graf, der überall gesehen wurde, und in dessen verwittertes Angesicht fast ein Schimmer von der sehr großen Schönheit seiner Tochter floß, die ihn überall mit Geduld begleitete und ruhig neben ihm her ging. In einem Wagen mit zwei feurigen Rappen fuhren gerne zwei junge, schöne Mädchen mit Augen, die noch feuriger waren als die Rappen, und mit roten Wangen, um die gewöhnlich grüne Schleier flatterten. Sie waren die Töchter einer badenden Mutter, die selbst noch schön war, und in ein reiches Tuch gewickelt in dem Wagen zurückgelehnt saß. Dann war ein dickes, kinderloses Ehepaar, das eine Nichte mit sich führte, die träumerisch darein schaute, manchmal unterdrückt aussah und schöne blonde Locken hatte, wie man sie nur immer erblicken konnte. In einem fensterreichen Hause tönten schier immer Klaviertöne, und viele Lockenköpfe junger Mädchen und Knaben waren zu sehen, wenn sie aus den Fenstern herausschauten oder von innen an denselben vorüber flogen. Dann waren manche einsame Greise, die hier ihre Gesundheit suchten und niemand als einen Diener hatten; dann manche Hagestolze, die über den Sommer des Lebens hinüber ohne Gefährtin herum gingen. Noch sind zwei blauäugige Mädchen zu erwähnen. Die eine sah gerne von einem abgelegenen Balkone mit ihren blauen Augen auf die nicht weit entfernten Wälder hinüber, und die andere richtete sie gerne auf die Tiefedes dahin rinnenden Stromes. Sie ging nämlich häufig mit ihrer Mutter an den Ufern desselben spazieren, wenn sie an ihm vorüber ging und die sieche, gedrückte Mutter begleitete. Dann waren die schönen errötenden Wangen der Landeskinder, die einen kranken Vater, eine Mutter, eine Wohltäterin hieher begleiteten – der vielen andern gar nicht zu gedenken, die alle Jahre kamen, sich an der Schönheit der Umgebung ergötzten, oder nur der Mode huldigten, alles zu beherrschen strebten, jedes neu Angekommene und Schüchterne besprachen und darüber triumphierten. Unter diesen Menschen lebte Tiburius fast scheu fort. Er mischte sich niemals unter sie, und wenn er mehrere auf seinen von dem Arzte vorgeschriebenen Gängen begegnen sollte, so machte er lieber einen Umweg, daß er ihnen auswich. Sie redeten von ihm, da er durch seine Absonderung auffiel; aber er wußte nicht, daß sie von ihm redeten, und wie sie ihn nannten. Er blieb beständig bei dem sich immer ablösenden Gewirre anwesend; denn wirklich kamen in der Zeit immer neue, und schieden die andern.
Wir können unmöglich sagen, wie Herrn Tiburius der Gebrauch des Bades bekam, denn er sagte selber zu niemanden etwas und badete immer fort. Dem Arzte erklärte er auf jede Frage, wie es ihm gehe, es gehe eben dem Gange des Dinges gemäß, und wir würden wohl am Ende in den Stand gesetzt worden sein, über den Erfolg seines Badens etwas Bestimmtes angeben zu können, wenn sich nicht das zugetragen hätte, wodurch sich alles veränderte und jede Berechnung der mitwirkenden Ursachen unmöglich wurde.
Wir haben oben schon gesagt, daß Tiburius immer zu seinen Bewegungen weiter hinaus fuhr und an einem einsamen Steine auf und nieder ging. Er war sehr fleißig und hatte dieses schon viele, viele Male getan. Eines Tages, nachdem seit
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