Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
zu können. Als Herr Tiburius den Abhang der Querleithen hinab fuhr, hörte er schon wieder das Klappern dieser Vorrichtung, was andeutete, daß der fremde Doktor mit seinen Leuten schon wieder in einem Verkehre befindlich sei.
    Zu diesem Manne kam Herr Tiburius nach einiger Zeit wieder, und dann öfter und so immer fort; war es nun, daß er, wie es bei derlei Leuten ist, einmal im Geleise war und daher in demselben fort ging, oder wollte er von dem Doktor etwas lernen. Da standen nun die zwei Männer, welche von den Menschen Narren geheißen wurden, manchmal in dem Garten beisammen; der eine in einem Strohhute und in einem grobleinenen Anzuge, daß ihm der Wind bei den Öffnungen hinein ging und durch alle Glieder strich: der andere mit einer Filzkappe auf dem Haupte, die er bis über die Ohren herab zog, mit einem langen Rocke, der fast die Erde kehrte, über die andern Kleider zusammen geknüpft war und oben unter dem Kragen noch ein großes, zusammengebauschtes Tuch sehen ließ, daß der Hals warm sei, und endlich mit großen, weiten Stiefeln, in denen er doppelte Strümpfe an hatte, daß sich die Füße nicht erkälten. Bei diesen Besuchen sagte der Doktor nichts mehr davon, daß er den Herrn Tiburius zu seinem Weibe hinein führen werde, und dieser verlangte es auch niemals.
    Weil also Herr Tiburius zu keinem Menschen kam als zu dem Doktor, und weil er überhaupt nicht aus seinem Zimmer ging, als wenn er zu dem Doktor fuhr, so war es natürlich, daß die Leute glaubten, er werde von dem närrischen Doktor ärztlich behandelt, und beide hätten Mittel ausgesonnen, die sehr merkwürdig seien und geheim gehaltenwürden, weshalb sie immer zu einander kämen und die Köpfe zusammen steckten.
    Dies war, wie wir wissen, allerdings nicht so; aber wie der Scharfsinn des Volkes immer in den ungegründeten Gerüchten, die in ihm empor tauchen, einige Körnchen Wahrheit und Veranlassung hat, so war es auch hier; denn von diesem Doktor ging wenigstens der erste Anstoß aus, der dann fortwirkte, und in Folge dessen sich Herr Tiburius ganz und gar verwandelte, wie die Raupe des Tagpfauenauges, die auch, nachdem sie auf dem Nesselkraute einförmig gelebt, sich dann gar aufgehängt hatte und eingeschrumpft war, eines Tages plötzlich aufspringt, den garstigen, schwarzen, mit Dornen besetzten Balg zurückstreift und die Hörner und Höcker der schönen Puppe zeigt, in der gar schon die künftigen farbigen, schimmernden und glänzenden Flügel eingewickelt liegen. Herr Tiburius fragte nämlich den Doktor eines Tages plötzlich um das, was er gewiß schon so lange auf dem Herzen getragen haben mußte; er sagte: »Wenn Sie, mein hochverehrtester Herr Doktor, wie Sie ja selber gerade heute vor fünf Wochen zu mir gesagt haben, in ganz wenigen Fällen zuverlässige Mittel wissen, so wüßten Sie etwa zufällig auch eins in dem meinigen?«
    »Allerdings, mein verehrter Herr Tiburius«, antwortete der Doktor.
    »Nun also – um Gottes Willen – so reden Sie.«
    »Sie müssen heiraten, aber zuvor müssen Sie in ein Bad gehen, wo Sie sogar Ihr Weib finden werden.«
    Das war für Herrn Tiburius zu viel!!
    Er kniff seine Lippen zusammen und fragte mit ungläubigem, spöttischem Lächeln: »Und in welches Bad soll ich denn gehen?«
    »Das ist in Ihrem Falle schier einerlei,« antwortete der Doktor, »nur irgendein Gebirgsbad dürfte am vorzüglichsten sein, etwa das in unserm Oberlande, wohin jetzt so viele Menschen ziehen. Oheime, Tanten, Väter, Mütter, Großmütter, Großväter sind mit sehr schönen Mädchen dort, und darunter wird auch die sein, welche Ihnen bestimmt ist.«
    »Und also endlich, weil Sie die Mittel so gut angeben, welches ist denn mein Fall?«
    »Das sage ich nicht,« erwiderte der Doktor, »denn wenn Sie ihn einmal wissen, dann hilft kein Mittel mehr, weil Sie keins nehmen – oder Sie bedürfen keins mehr, weil Sie bereits gesund sind.«
    Herr Tiburius fragte um nichts weiter, er sagte auf diese Unterredung kein Wort mehr, sondern er ging allmählig zu seinem Wagen und fuhr davon.
    »Der verrückte Doktor hat recht,« sagte er zu sich in dem Wagen, »nicht in Beziehung des Heiratens hat er recht, das ist eine Narrheit – – aber ein Bad – ein Bad! – das ist das einzige, auf das ich noch nicht verfallen bin – es ist unbegreiflich, wie ich denn nicht darauf denken konnte. Ich werde mir gleich alle Bücher zu Rate ziehen, die von Bädern handeln, und auszumitteln suchen, welches Bad unseres Weltteiles für

Weitere Kostenlose Bücher