Werke
unverdrossen hinan, und Tiburius ging auf ihm fort. Als er oben angekommen war, war es eben, und der Boden war sandig. Der Pfad lief hier gleichsam emsig und freudig vor Tiburius her, und dieser folgte ihm. Er wurde später aus dem scharfen Sande wieder schwarz, war breit, trocken, drückte bei jedem Schritte gegen den Fuß, als ginge man auf Federharz, und schlang sich so fort. Tiburius betrat ihn, in sein Schicksal ergeben. Endlich war es Abend geworden, unheimliche Amselrufe tönten, und Tiburius ging, in seinen unzulänglichen Rock geknöpft, weiter. – Nach einer Weile war es, als rauschte es irgend wo unten. – Tiburius ging fort, das Rauschen tönte näher, aber es war nur Wasser, das den Wald eher schauerlicher machte, und von dem keine Hülfe zu erwarten war. Tiburius ging noch eiliger fort, er ging fort, und fort – und leider wieder aufwärts. Endlich, da er um einen sehr großen Stein, der gleichsam alles vor ihm verdunkelt hatte, hinum gegangen war, senkte sich der Weg abwärts und wurde sandig und geröllig. Auch standen mit einem Male nicht mehr die hohen Tannen neben ihm, sondern allerlei lustiges Gebüsch von dichtem Laube, namentlich Haselstauden,was jederzeit ein Zeichen ist, daß ein Wald aufhöre und man sich im Saume befinde. Herr Tiburius kannte aber solche Zeichen nicht. Er ging noch die Strecke unter dem Gebüsche und auf den scharfen Steinen weiter, es wurde lichter, die Gebüsche hörten auf, der Wald war aus, und er stand hoch auf einer Wiese im Freien.
Er war in einem Zustande, in welchem er in seinem ganzen Leben nicht gewesen war. Die Knie schlotterten ihm, und der Körper hing vor Müdigkeit nur mehr in den Kleidern. Er empfand es, wie an seinem ganzen Leibe ohne seinen Willen die Nerven zitterten und die Pulse klopften. Aber auch hier war keine Aussicht auf Hilfe vorhanden. Die Sonne war schon untergegangen. Überall standen im kühlblauen Hauche des Abends Berge mit allerlei Gestalten herum, teils mit Wald bedeckt, teils Felsen empor streckend. Weit draußen hinter dem Saume eines grünen Waldes ragte ein sehr hoher Berg heraus. Er hatte mehrere Felsenkronen, die empor standen. Zwischen diesen Kronen lagen drei sehr große Schneefelder, welche aber jetzt rosenrot beleuchtet waren, und auf welche die Kronen Schatten warfen. Für Tiburius war dieses erhebende Schauspiel eher schreckhaft. Weit herum war kein Mensch und kein lebendes Wesen zu erblicken. Das Rauschen, welches er schon eine geraume Zeit in den Wald hinein gehört hatte, war ihm jetzt erklärbar. In der Rinne des Tales, gegen welches die Wiese, auf der er stand, hinab ging, lief über Steine und Klippen ein grünes, brodelndes Wasser heraus und eilte links durch die Taltiefe nach einander fort. Sonst war aber gar nichts zu erspähen, welches sich regte und rührte.
Tiburius sah, daß der Weg über den Wiesenbügel gegen das Wasser hinab gehe, und er dachte, da in dem Badeorte dasselbe grüne Wasser, aber in viel größerer Menge dahin fließe, so könne leicht dieser Bach zu jenem grünen Wasser hinaus eilen, und etwa gehe der Weg daneben fort.
Er beschloß daher, dem Laufe des Pfades nach abwärts zu folgen. Er bezwang das stürmende Verlangen seines Körpers nach Ruhe – denn auf dem Grase lag überall schon der nasse Tau – und ging unter schmerzhaftem Vorwärtsstoßen seiner Kniee auf dem Pfade steil abwärts. Der Berg mit den rosenfarbenen Schneefeldern zog sich gemach unter den Wald zurück, bis nichts mehr als kalt blaue oder grüne Anhöhen, mit Dunststreifen durchwebt, da standen.
Tiburius kam zu dem Wasser hinunter. Es hastete mit dem Blaugrün seiner Wogen und dem fliegenden weißen Schaume darauf nach einander hin – und was er eben gedacht hatte, traf hier unten ein: der Weg ging neben dem Wasser fort. Er schlug ihn also ein und strengte seine Kräfte, die gleichsam auflösend und trunken waren, aufs neue und letzte an.
Da er eine Weile so gegangen war und bereits Dunkelheit einzutreten begann, hörte er plötzlich trotz des Rauschens, das der Bach in ziemlicher Tiefe unter ihm veranlaßte, Tritte hinter sich. Er sah um und erblickte einen Mann, der hinter ihm her ging und ihn eben eingeholt hatte. Der Mann trug eine Axt über den Rücken, mehrere eiserne Keile über die Schultern und hatte starke Holzschuhe an. Tiburius blieb stehen, ließ ihn vollends an sich kommen und fragte dann: »Guter Freund, wo bin ich denn, und wo finde ich denn in das Bad hinaus?«
»Ihr seid auf dem Wege zum Bade,«
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