Werke
auch sogar meine Mädchen, wenn sie von ihm reden, den Großvater nennen, obwohl er gegen sie der Urgroßvater ist. Als alles fertig war, ließ er Geräte herauf bringen, und brachte in jedem Sommer einen Teil seiner Zeit hier zu. Ich erinnere mich, daß ich als ganz kleiner Bube ein paar Male bei ihm heroben war. Mein Vater, als er selbstständig wurde, hatte keine Freude an dem abgelegenen Haidehause, sondern er brachte seine Sommermonate weit davon in einer kleinen Besitzung in Tirol zu. Ich kam in meinen Jugendstreifereien einige Male herauf, und achtete dann später, als ich mit Victoria in der Ehe lebte, nicht mehr auf diese Behausung. In der Zeit unserer Verluste aber, da wir die Reste unseres Besitzes zusammen zählten, dachten wir wieder auf das Haus, und ich schlug vor, um von den Leuten weg zu gehen und zu sparen! uns einstweilen hieher zurück zu ziehen und hier zu wohnen. Victoria, die mich sehr liebte, willigte ein, und die Mädchen hatten mir ohnedem in ihrem Leben noch nie widersprochen. Wir gingen also von Meran herauf. Als wir da wenigstens unter Dach waren, begannich den Verkauf unserer Habseligkeiten in Mailand. Ich reiste hin und verkaufte das väterliche Haus, das ohnedem nur zur Bewohnung für seine Familie und zur Bewahrung seiner Handelsgegenstände eingerichtet gewesen war. Ich verkaufte hierauf alle Geräte, die sich in dem Hause vorgefunden hatten. Ich verkaufte die Gemälde, die in dem Hause waren, und die Bücher, die man in vielen Jahren noch von Tirol her gesammelt hatte, nur die ließ ich zurück, die sich Victoria heraus gesucht und zu ihrem künftigen Gebrauche aufbehalten hatte. Von den meinigen behielt ich kein einziges zurück. Wir verkauften auch, was wir an Schmuck besaßen, bis auf die zwei Eheringe und den goldenen Reif, den Camilla bei dem Geigenspiele anzuhaben gewohnt ist, und dann verkauften wir auch noch, was etwa wegen Seltenheit, wegen besonderer Vorliebe oder aus sonst einem veralteten Grunde vorhanden war. Als ich alles dieses verrichtet hatte, kehrte ich wieder zu den Meinigen zurück. Wir hatten nunmehr auf der ganzen Erde keinen einzigen dauernden Punkt mehr, den wir unser Eigentum nennen konnten, als das Haidehaus. Aber wie sah es damals hier aus! Victoria und Camilla mußten die ausgedörrten Fugen der Fensterrahmen ihrer Zimmer mit Wolle verstopfen, damit ihnen bei der Nacht der Wind nicht das Licht blies. Maria machte sich ihr Bett in einer Obstkammer, und die Magd, die einzige, die wir hiehermitgebracht hatten, schlief bei ihr in einem Vorkämmerchen; denn die größeren Zimmer und der Saal waren durchaus unbewohnbar. Es klafften in ihnen die Fensterrahmen fingerbreit, oder hingen durch das Wetter so verbogen hinaus, daß das Glas zersprungen war und sie nicht mehr in ihre Fugen gepaßt werden konnten. Andere Fenster waren leere Höhlen oder mit Brettern verschlagen. Von dem Dache hatte der Wind einen Teil weggetragen, daß der Regen eindringen konnte, und daß die Pflasterungen und Täfelungen der Zimmerböden teils eingesunken, teils zersprungen waren. Die Öfen hatten Löcher, der Staub rieselte aus ihnen heraus, und in den Ecken der Wände hingen die Fahnen alter und verlassener Spinneweben. Bloß für mich war am besten gesorgt worden, damit ich nicht krank würde. Das nämliche Zimmer, welches ich noch jetzt bewohne, und welches schon damals eines der besterhaltenen war, richteten die Meinigen, während ich in Mailand war, zusammen. Sie ließen alle schadhaften Stellen der Wände ausbessern, verstopften die Fensterritzen mit Wolle, bis auf einen Flügel, der zum Öffnen und zur Auslüftung des Zimmers diente, bekleideten die teilweise feuchten Wände mit Teppichen, legten dergleichen auch auf den Fußboden, und machten mir ein Bett aus den besten Dingen, die wir mitgebracht hatten. – Die Geräte, die in dem alten Hause standen, waren demselben nicht entsprechend,sondern noch schlechter. Da sie der Großvater hatte heraufbringen lassen, hatte er nicht etwa die Zweckmäßigkeit oder Bequemlichkeit im Auge gehabt, sondern er war einem eigentümlichen Zuge seines Charakters gefolgt. Er war nämlich ein großer Liebhaber und Verehrer von alten Sachen, namentlich von mittelalterlichen und ganz besonders von vorchristlichen. Um nun sein Jagdhaus geschichtlich einzurichten, hatte er alles, was er an alten Sachen besaß, herauf bringen lassen, und kaufte noch, was er antraf, zusammen. So wurde das Haus nicht etwa ein Denkmal, sondern es waren da Dinge aus den
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