Werke
dann die Wärme in den feuchten Niederungen oder in tiefen, heißen Schluchten verschwinden, so wie die kalte Luft in Höhen auf die Erde ohne Einfluß sein wird, so daß alle Glieder in unsern Ländern von demselben lauen Stoffe umflossen sind und sich die Verhältnisse aller Gewächse ändern? Oder dauert die Tätigkeit, durch welche die Berge gehoben wurden, noch heute fort, daß sie durch innere Kraft an Höhe ersetzen oder übertreffen, was sie von außen her verlieren? Hört die Hebungskraft einmal auf? Ist nach Jahrmillionen die Erde weiter abgekühlt, ist ihre Rinde dicker, so daß der heiße Fluß in ihrem Innern seine Kristalle nicht mehr durch sie empor zu treiben vermag? Oder legt er langsam und unmerklich stets die Ränder dieser Rinde auseinander, wenn er durch sie seine Geschiebe hinan hebt? Wenn die Erde Wärme ausstrahlt und immer mehr erkaltet, wird sie nicht kleiner? Sind dann die Umdrehungsgeschwindigkeiten ihrer Kreise nicht geringer? Ändert das nicht die Passate? Werden Winde, Wolken, Regen nicht anders? Wie viele Millionen Jahre müssenverfließen, bis ein menschliches Werkzeug die Änderung messen kann?
Solche Fragen stimmten mich ernst und feierlich, und es war, als wäre in mein Wesen ein inhaltreicheres Leben gekommen. Wenn ich gleich weniger sammelte und zusammentrug als früher, so war es doch, als würde ich in meinem Innern bei weitem mehr gefördert als in vergangenen Zeiten.
Wenn eine Geschichte des Nachdenkens und Forschens wert ist, so ist es die Geschichte der Erde, die ahnungsreichste, die reizendste, die es gibt, eine Geschichte, in welcher die der Menschen nur ein Einschiebsel ist, und wer weiß es, welch ein kleines, da sie von anderen Geschichten vielleicht höherer Wesen abgelöset werden kann. Die Quellen zu der Geschichte der Erde bewahrt sie selber wie in einem Schriftengewölbe in ihrem Innern auf, Quellen, die vielleicht in Millionen Urkunden niedergelegt sind, und bei denen es nur darauf ankömmt, daß wir sie lesen lernen und sie durch Eifer und Rechthaberei nicht verfälschen. Wer wird diese Geschichte einmal klar vor Augen haben? Wird eine solche Zeit kommen, oder wird sie nur der immer ganz wissen, der sie von Ewigkeit her gewußt hat?
Von solchen Fragen flüchtete ich zu den Dichtern. Wenn ich von langen Wanderungen in das Ahornhaus zurück kam, oder wenn ich ferne von dem Ahornhause in irgend einem Stübchen eines Alpengebäudes wohnte, so las ich in den Werken eines Mannes, der nicht Fragen löste, sondern Gedanken und Gefühle gab, die wie eine Lösung in holder Umhüllung waren und wie ein Glück aussahen. Ich hatte mannigfaltige solcher Männer. Unter den Büchern waren auch solche, in denen Schwulst enthalten war. Sie gaben die Natur in und außer dem Menschen nicht so, wie sie ist, sondern sie suchten sie schöner zu machen, und suchten besondere Wirkungen hervorzubringen, Ich wendete mich von ihnen ab. Wem das nicht heilig ist, was ist, wie wird er Besseres erschaffen können, als was Gott erschaffen hat? In der Naturwissenschaft war ich gewohnt geworden, auf die Merkmale der Dinge zu achten, diese Merkmale zu lieben und die Wesenheit der Dinge zu verehren. Bei den Dichtern des Schwulstes fand ich gar keine Merkmale, und es erschien mir endlich lächerlich, wenn einer schaffen wollte, der nichts gelernt hat.
Die Männer gefielen mir, welche die Dinge und die Begebenheiten mit klaren Augen angeschaut hatten und sie in einem sicheren Maße in dem Rahmen ihrer eigenen inneren Größe vorführten. Andere gaben Gefühle in schöner Sittenkraft, die tief auf mich wirkten. Es ist unglaublich, welche Gewalt Worte üben können; ich liebte die Worte, und liebte die Männer, und sehnte mich oft nach einer unbestimmten, unbekannten glücklichen Zukunft hinaus.
Die Alten, die ich einst zu verstehen geglaubt hatte, kamen mir doch jetzt anders vor als früher. Es schien mir, als wären sie natürlicher, wahrer, einfacher und größer als die Männer der neuen Zeit, und als lasse sie der Ernst ihres Wesens und die Achtung vor sich selbst nicht zu den Überschreitungen gelangen, welche spätere Zeiten für schön hielten. Ich trug Homeros, Äschylos, Sophokles, Thukydides fast auf allen Wanderungen mit mir. Um sie zu verstehen, nahm ich alle griechischen Sprachwerke, die mir empfohlen waren, vor und lernte in ihnen. Am förderlichsten im Verstehen war aber das Lesen selber. Bei den Alten nahm ich Geschichtschreiber gerne unter Dichter, sie schienen mir dort einander
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