Werke
zu bestimmt gewesen wäre, daß ich gemalt hätte, was nur mein Bewußtsein an entfernten Stellen gesagt, nicht mein Auge, sondern daß ich auch die Hintergründe zu groß gezeichnet hätte, sie wären meinen Augen groß erschienen, und das hätte ich durch das Hinaufrücken der Linien angeben wollen. Aber durch beides, durch Deutlichkeit der Malerei und durch die Vergrößerung der Fernen, hätte ich die letzteren näher gerückt und ihnen das Großartige benommen, das sie in der Wirklichkeit besäßen. Eustach riet mir, eine Glastafel mit Kanadabalsam zu überziehen, wodurch sie etwas rauher würde, so daß Farben auf ihr haften, ohne daß sie die Durchsichtigkeit verlöre, und durch diese Tafel Fernen mit den an sie grenzenden näheren Gegenständen mittelst eines Pinsels zu zeichnen, und ich würde sehen, wie klein sich die größten und ausgedehntesten entfernten Berge darstellten, und wie groß das zunächstliegende Kleine würde. Dieses Verfahren aber empfehle er nur, damit man zur Überzeugung der Verhältnisse komme und einen Maßstab gewinne, nicht aber, daß man dadurch künstlerische Aufnahmen von Landschaften mache, weil durch einen solchen Vorgang die künstlerische Freiheit und Leichtigkeit verloren würde, welche in Bezug auf Darstellung das Wesen und das Herz der Kunst sei. Das Auge soll nur geübt und unterrichtet werden, die Seele müsse schaffen, das Auge soll ihr dienen. In Hinsicht der Farbgebung der Fernen riet er mir, dort, wo ich einen Zweifel hätte, ob ich etwas sähe oder nur wisse, es lieber nicht anzugeben, und überhaupt in derFarbe lieber unbestimmter als bestimmter zu sein, weil dadurch die Gegenstände an Großartigkeit gewinnen. Sie werden durch die Unbestimmtheit ferner und durch dieses allein größer. Durch Linien des Zeichnenstiftes auf dem kleinen Papiere oder der kleinen Leinwand könne man nichts groß machen. Durch Verdeutlichung werden die Körper näher gerückt und verkleinert. Wenn überhaupt ein Fehler gegen die Genauigkeit gemacht werden müsse – und kein Mensch könne Dinge, namentlich Landschaften, in ihrer völligen Wesenheit geben –, so sei es besser, die Gegenstände großartiger und übersichtlicher zu geben, als in zu viele einzelne Merkmale zerstreut. Das erste sei das Künstlerischer und Wirksamere.
Ich sah sehr gut ein, was sie sagten, und wußte auch, woher die Fehler kämen, von denen sie redeten. Ich hatte bisher alle Gegenstände in Hinblick auf meine Wissenschaft gezeichnet, und in dieser waren Merkmale die Hauptsache. Diese mußten in der Zeichnung ausgedrückt sein, und gerade die am schärfsten, durch welche sich die Gegenstände von verwandten unterschieden. Selbst bei meinem Zeichnen von Angesichtern hatte ich deren Linien, ihr Körperliches, ihre Licht- und Schattenverteilung unmittelbar vor mir. Daher war mein Auge geübt, selbst bei fernen Gegenständen das, was sie wirklich an sich hatten, zu sehen, wenn es auch noch so undeutlich war, und dafür auf das, was ihnen durch Luft, Licht und Dünste gegeben wurde, weniger zu achten, ja diese Dinge als Hindernisse der Beobachtung eher weg zu denken, als zum Gegenstande der Aufmerksamkeit zu machen. Durch das Urteil meiner Freunde wurde mir der Verstand plötzlich geöffnet, daß ich das, was mir bisher immer als wesenlos erschienen war, betrachten und kennen lernen müsse. Durch Luft, Licht, Dünste, Wolken, durch nahe stehende andere Körper gewinnen die Gegenstände ein anderes Aussehen, dieses müsse ich ergründen, und die veranlassenden Dinge müsse ich, wenn es mir möglich wäre, so sehr zum Gegenstande meiner Wissenschaft machen, wie ich früher die unmittelbar in die Augen springenden Merkmale gemacht hatte. Auf diese Weise dürfte es zu erreichen sein, daß die Darstellung von Körpern gelänge, die in einem Mittel und in einer Umgebung von anderen Körpern schwimmen. Ich sagte das meinen Freunden, und sie billigten meinen Entschluß. Wenn der Nebel oder überhaupt die trübe Jahreszeit einen Blick in die Ferne gestattete, wurde das, was mit Worten gesagt wurde, auch an wirklichen Beispielen erörtert, und wir sprachen über die Art und Weise, wie sich die entfernten Gebirge oder Teile von ihnen oder näher gehende, von der Hauptkette sich ablösende Gründe darstellten. Es ist unglaublich, wie sehr ich in jenem kurzen Herbstaufenthalte unterrichtetwurde.
Ich sprach mit meinem Gastfreunde auch von den Dichtern, welche ich las, und erzählte ihm von dem großen Eindrucke, welchen ihre
Weitere Kostenlose Bücher