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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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die gegen Abend mit dichten Haseln umstanden war, stellte Bündel gleichsam als Säulen auf, legte quer darüber Stangen und Stäbe, die es von dem Bündelstoße herbei getragen hatte, bedeckte dieselben wieder mit Bündeln, und häufte immer mehr und mehr Bündel auf, daß im Innern eine Höhlung war, die Unterstand bot.
    Da es fertig war, und da die Großmutter und die Kinder auch bereits eine taugliche Haselstaude gefunden hatten, unter derselben saßen und auf das Gewitter warteten, ging es zu ihnen hin und sagte etwas, das sie nicht verstanden. Darauf machte es ein Zeichen, weil es die Sache nicht mit Worten sagen konnte: es hielt die linke Hand flach auf, hob die rechte hoch, machte eine Faust, und ließ dieselbe auf die geöffnete Hand niederfallen. Dann schaute es auf die Großmutter, und zeigte auf die Wolken.
    Die Großmutter ging unter der Haselstaude hervor, und stellte sich auf einen Platz, wo sie die Wolken sehen konnte. Dieselben waren grünlich und fast weißlich licht, aber trotz dieses Lichtes war unter ihnen auf den Hügeln eine Finsternis, als wollte die Nacht anbrechen. So wogten sie näher, und bei der Stille des Nußberges hörte man in ihnen ein Murmeln, als ob tausend Kessel sötten.
    »Heiliger Himmel, Hagel!« schrie die Großmutter.
    Sie begriff nun sogleich, was das Mädchen wollte, sie begriff die Kenntnis und Vorsicht des braunen Mädchens, die es mit den Reisigbündeln gezeigt hatte, sie lief gegen die Haselstaude, riß die Kinder hervor, bedeutete ihnen u folgen, das fremde Mädchen lief voran, die Großmut er eilte mit den Kindern hinterher, sie kamen zu den Bündeln, das Mädchen zeigte, daß hinein kriechen sollte, Sigismund wurde zuerst hinein getan, dann folgte Clementia, dann folgten Emma und die Großmutter leben einander, und am äußersten Rande schmiegte sich las braune Mädchen an, und hielt die blonden Locken Emmas in der Hand.
    Die Kinder hatten kaum Zeit gehabt, sich unter die Bündel zu legen, und eben wollten sie lauschen, was geschehen würde, als sie in den Haselstauden einen Schall vernahmen, als würde ein Stein durch das Laub geworfen. Sie hörten später das noch einmal, dann nichts mehr. Endlich sahen sie wie ein weißes, blinkendes Geschoß einen Hagelkern vor ihrem Bündelhause auf das Gras nieder fallen, sie sahen ihn hoch empor springen und wieder nieder fallen und weiter kollern. Dasselbe geschah in der Nähe mit einem zweiten. Im Augenblicke kam auch der Sturm, er faßte die Büsche, daß sie rauschten, ließ einen Atemzug lang nach, daß alles totenstill stand, dann faßte er die Büsche neuerdings, legte sie um, daß das Weiße der Blätter sichtbar wurde, und jagte den Hagel auf sie nieder, daß es wie weiße herabsausende Blitze war. Es schlug auf das Laub, es schlug gegen das Holz, schlug gegen die Erde, die Körner schlugen gegen einander, daß ein Gebrülle wurde, daß man die Blitze sah, welche den Nußberg entflammten, aber keinen Donner u hören vermochte. Das Laub wurde herab geschlagen, die Zweige wurden herab geschlagen, die Äste wurden abgebrochen, der Rasen wurde gefurcht, als wären eiserne Eggenzähne über ihn gegangen. Die Hagelkörner waren o groß, daß sie einen erwachsenen Menschen hätten töten können. Sie zerschlugen auch die Haseln, die hinter den Bündeln waren, daß man ihren Schlag auf die Bündel vernahm.
    Und auf den ganzen Berg und auf die Täler fiel es so nieder. Was Widerstand leistete, wurde zermalmt, was fest war, wurde zerschmettert, was Leben hatte, wurde getötet. Nur weiche Dinge widerstanden, wie die durch die Schloßen zerstampfte Erde und die Reisigbündel. Wie weiße Pfeile fuhr das Eis in der finstern Luft gegen die schwarze Erde, daß man ihre Dinge nicht mehr erkennen konnte.
    Was die Kinder fühlten, weiß man nicht, sie wußten es selber nicht. Sie lagen enge an einander gedrückt, und drückten sich noch immer enger aneinander, die Bündel waren bereits durch den Hagelfall nieder gesunken und lagen auf den Kindern, und die Großmutter sah, daß bei jedem heftigeren Schlag, den eine Schloße gegen die Bündel tat, ihre leichten Körperchen zuckten. Die Großmutter betete. Die Kinder schwiegen, und das braune Mädchen rührte sich nicht.
    Die Stumpfen der Haselnußstauden, die hinter den Bündeln waren, machten, daß der Wind nicht in die Bündel fahren und sie aus einander werfen konnte.
    Nach längerer Zeit hörte es ein wenig auf, daß man den Donner wieder hören konnte, der jetzt als ein mildes

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