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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Bewegung. Der Vater, die Kinder und die Großmutter gingen voran, dann folgten die Knechte. Der Vater führte Blondköpfchen und Braunköpfchen an der Hand, die Großmutter Schwarzköpfchen. Sie erzählte ihm nun, was sich auf dem Nußberge begeben hatte, und wie sie bis zu der Stelle gelangt seien, an der er sie gefunden habe.
    »Aber du bist ja selber ganz naß«, schloß sie.
    »Weil wir während des Wolkenbruches in den Wald hinauf gegangen sind,« antwortete er, »da nur einmal der Hagel nachgelassen hatte.«
    Sie kamen nun in den Wald, und hier sah es zum Erschrecken aus.
    Wie man eine Streu aus Tannenreisern macht, wenn in einem Jahre wegen Dürre oder andern Unglücksfällen die Halme nicht geraten, so lagen auf dem ganzen Boden die Tannenzweige gehäuft, mancher starke Ast lag mehrere Male getroffen und also gebrochen darunter, an den Stämmen waren Risse der Rinde sichtbar, daß hie und da das weiße Holz hervor stand, und durch den Wald war ein feiner Harzgeruch verbreitet, wie er ist, wenn Nadelholz gesägt oder gespalten wird. Die Schloßen lagen mit der Tannenstreu untermischt und von ihr bedeckt, und hauchten eine unsägliche Kälte unter den Stämmen aus, welche im Freien draußen nicht so empfunden worden war. Der Vater und die Knechte mußten den Weg suchen, weil er mit Streu bedeckt und nicht zu sehen war.
    Aus dem Walde kam man wieder in das Freie, und ging bis zu den Felsen nieder, von denen aus man das Haus und die Felder sehen konnte.
    Der Garten war verschwunden, nur einzelne Stämme mit verstümmelten Armen standen empor. Das Grün war dahin, und die Felder jenseits des Gartens sahen aus, als wären sie schlecht geeggt worden.
    Der Vater ging mit den Kindern in der Sandlehne nieder.
    Da sahen sie, daß alle Fenster der Glashäuser zerstört waren, und daß im Innern an der Stelle, wo die Blumen in Töpfchen und Kübeln gestanden waren, weiße Haufen von Schloßen lagen. Die Fenster des Hauses, welche gegen Abend schauten, waren zertrümmert, die Ziegeldächer und die Schindeldächer waren zerschlagen, daß sie teils wie ein Sieb aussahen, teils große ausgebrochene Stellen hatten, durch die das innere Bauholz hervor sah. Die Verzierungen und der Anwurf der Mauern waren an der Wetterseite herunter geschlagen? daß die Mauern nicht etwa wie neu, ehe der Anwurf geschieht, sondern wie mit Hämmern ausgeschlagen da standen.
    Als sie gegen das Ende der Sandlehne kamen, sahen sie eine weiße Gestalt durch den ehemaligen Garten eilen, durch nasses Gras, durch Schloßen über die herab gestürzten Baumäste laufen und ihnen an der Ecke der Glashäuser begegnen.
    Es war die Mutter.
    Sie lief gegen die Kinder und sah sie an.
    Auf den Wangen der Kinder war durch das Gehen ein schöner rosiger Hauch erblüht, und ihre Haare lagen wohl naß und zusammengeklebt, aber wunderschön um ihr Antlitz.
    »Vater, Vater,« schrie sie, »du hast sie mir gebracht.« »Ja, ohne Makel, ohne Beschädigung«, erwiderte er.
    »Mein Gott, mein Gott, du bist gütig, daß du sie mir gegeben hast. O Clementia, o Emma, o Sigismund!« rief die Frau.
    Sie riß die Kinder an sich, sie drückte sie, herzte sie, und hatte alle drei in ihren Armen.
    »Mutter, wir haben keine Nüsse gebracht«, sagte der Knabe.
    »Aber dich selbst, du kleines, unvernünftiges Kind,« sagte die Mutter, »das mir lieber ist als goldene Nüsse.«
    »Schauerlich war es und beinahe prächtig«, sagte Emma.
    »Lasse mir das Bild nicht vor die Augen, Vater, ich bitte dich, – – was hätte werden können!« sagte die Mutter.
    »Sie lagen unter Reisigbündeln,« antwortete der Vater, »aber lasse uns in das Haus gehen, ich werde dir alles erzählen, gib ihnen trockene Kleider und etwas zu essen, daß ihr Blut wieder in gleichmäßige Bewegung komme.« »So kommt, ihr Kinder«, sagte die Mutter.
    Sie wendete sich, um durch den Garten in das Haus zu gehen. Die Kinder schlossen sich an. Sie führte alle drei, so weit dies möglich ist, an der Hand. Dann folgte die Großmutter und der Vater, dann die Knechte.
    Als man zu dem Haupteingange des Hauses gekommen war, wandte sich der Vater zu den Knechten um, dankte ihnen, entließ sie, sagte, sie sollten das, was sie tragen, an die rechte Stelle tun, sollen sich umkleiden, sollen alle Arbeit ruhen lassen, und er werde ihnen ein Glas Wein zu ihrem Abendessen senden.

    »Und ich danke euch auch,« sagte die Mutter, die mit den Kindern bei den Worten ihres Gatten vor dem Hause stehen geblieben war und sich umwendete,

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