Werke
sich sanft und freundlich gegen Sigismund und streckte ihm die Arme entgegen. Der Knabe verstand die Bewegung, er ließ die Hand der Großmutter los und begab sich in den Schutz des braunen Mädchens. Dieses nahm ihn auf den Arm, er schlug beide Ärmchen um den Hals desselben, und es trug ihn fest und sicher schreitend auf das jenseitige Ufer.
Die Großmutter hatte Schwarzköpfchen auf den Arm genommen, hatte Blondköpfchen fest an der Hand gefaßt, und ging hinter dem braunen Mädchen. Sie empfand bald an den Füßen, daß sie das Brücklein unter sich habe, und kam auch an das andere Ufer.
Als das fremde Mädchen Sigismund und die Großmutter Schwarzköpfchen auf die Erde gestellt hatten, mußten sie weiter gehen. Sie sahen auf das Wasser zurück. Die Spitzen der Gesträuche waren nicht mehr zu sehen, und das Wasser war viel breiter geworden. Es eilte mit dem Holze, mit dem Laube und mit den fremden schwarzen Dingen, die auf ihm schwammen, dahin.
Sie gingen nun auf dem Rasen aufwärts gegen den Wald. Sie mußten den weißen Haufen von Schloßen ausweichen, sie mußten den Wässern ausweichen, die in den Vertiefungen standen, und sie mußten den Bächen ausweichen, die überall herab flossen. Daher mußten sie öfter von einem Steine auf den andern springen, um fort zu kommen, und öfter durch ein fließendes Wässerlein gehen. Die Großmutter ließ ihre eigenen Gewänder dem Wasser und dem Schmutze der Erde preis, um die der Kinder zu wahren, und zu helfen, daß die Kleinen leichter fortkommen könnten. Das braune Mädchen ging mit. Als sie in die Nähe des Waldes kamen, sahen sie aus demselben Männer heraus treten und über den Rasen herab eilen. Da dieselben gegen sie heran kamen, erkannten sie den Vater, der an der Spitze aller seiner Knechte und Männer daher kam. Sie trugen Stangen, Stricke und trockene Kleider.
Als der Vater näher kam, rief er: »Da sind ja die Kinder, Gott sei gedankt, sie leben. Mutter, wo habt Ihr sie denn geborgen?«
»Unter Bündeln dürren Reisigs«, antwortete die Großmutter.
Schwarzköpfchen und Braunköpfchen gingen in ihrem durch und durch nassen Anzuge zu ihm hin, wie sie es am Morgen vor ihrem Frühmahle zu tun gewohnt waren, und küßten ihm die Hand. Blondköpfchen blieb stehen, weil es schon begriff, daß das sich hier nicht schicke.
Der Vater nahm die Kinder zu sich, küßte sie auf die Wangen, untersuchte sie und sagte: »Ihr armen Dinge!«
Das fremde Mädchen stand in der Ferne, wie es sonst an dem Rande der Haselbüsche zu stehen gewohnt war, aufrecht und steif.
»Mutter,« sagte der Vater, »wir haben geglaubt, daß ihr in dem Walde hinter einem dicken Stamme oder hinter einem Holzstoße werdet Sicherheit gesucht haben. Darum gingen wir gleich nach dem Hagel in den Wald, wir hatten trockene Kleider in einem Bündel mit, um die Kinder umzukleiden, und suchten auch an allen Stellen neben dem Wege, und riefen nach euch. Da wir euch nicht fanden, und da keine Stimme antwortete, sandte ich schnell einige Knechte um Stangen und Stricke zurück, weil ich dachte, ihr könntet etwa jenseits des Baches sein, der bei solchen Anlässen immer sehr anschwillt, und wir könnten die Werkzeuge zum Durchdringen des Wassers brauchen. Da die Knechte gekommen waren, gingen wir weiter. Ich hatte große Angst, aber ich hatte auch große Hoffnung zu Euch, liebe Mutter, daß Ihr werdet eine Stelle gefunden haben, euch alle zu sichern.«
»Ich werde dir gleich erzählen, wie es gekommen ist,« sagte die Mutter, »aber laß uns weiter gehen. Die Kinder können hier nicht umgekleidet werden, und in den nassen Kleidern dürfen sie nicht stehen bleiben. Wenn sie gehen, wird ihnen wärmer, und die Nässe schadet nicht.«
»Und auch Ihr seid durchnäßt, liebe Mutter«, sagte der Vater.
»Ich bin ein Weib aus den alten Bergen unsres Landes,« antwortete die Großmutter, »mir schadet die Nässe nicht. Ich bin naß geworden, mein Kind, da ich kaum einige Jahre zählte, ich bin durchnäßt gewesen, da ich ein Mädchen war, und wie oft habe ich Tage lang nasse Kleider gehabt, da ich schaffen mußte, weil du noch klein warst, und der Vater schon kränkelte. Aber schicke sogleich einen Knecht ab, daß er laufe, was er kann, und die arme Frau zu Hause beruhige, die um die Kinder in Angst vergehen wird.«
Der Vater tat es sogleich. Die Knechte waren bisher in einem dichten Kreise um den Vater, die Kinder und die Großmutter gestanden. Nachdem einer abgeschickt worden war, setzte man sich in
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