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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gab es ihm ein, er solle die Hand ausstrecken und den Tropfen nehmen. Er nahm den Tropfen, aber es war ein kalter, rauher Stein, den er in der Hand spürte, und der Stein war so groß, daß er ihn kaum mit der Hand fassen konnte. Er trug den Stein hervor, bis er an das Tageslicht kam, und da sah er, daß es ein Feldstein war, wie man viele Tausende findet, und daß aus dem Feldsteine ein rotes Äuglein hervor schaue, wie wenn es von den Lidern der harten Steinrinde bedecktwäre und nur rosenfarb blinzen könne. Wenn man den Stein drehte, warf er Funken auf die Dinge. Der Schäfer stieg eilig die Felsenwand herab, er ging den fließenden Bach entlang, und sputete sich, bis er zu seiner Herde kam. Das Lamm, das er verloren und nicht gefunden hatte, war zu Hause und trank an seiner Mutter. Er wickelte den Stein in ein Tuch, und bewahrte ihn sorgsam. Da kam einmal ein Hochbauer, und er verkaufte ihm den Stein um fünf Schafe. Und der Hochbauer verkaufte ihn einem Arzte um ein Pferd, und der Arzt verkaufte ihn einem Lombarden um hundert Goldstücke, und der Lombarde ließ ihn von dem gemeinen Gesteine befreien und schleifen, und jetzt tragen ihn Fürsten und Könige in ihren Kronen, er ist sehr groß und leuchtend, und ist ein Karfunkel oder ein anderer roter Stein, sie beneiden sich darum, und wenn sie das Land erobern, wird der Stein sorgsam fort getragen, als ob man eine eroberte Stadt in einem Schächtelchen davon trüge.«
    Zu einem anderen Male sagte die Großmutter: »In unsern Wässern, die braun und glänzend sind, weil sie den Eisenstaub aus den Bergen führen, ist nicht bloß das Eisen enthalten, es glänzet der Sand, als ob er lauter Gold wäre, und wenn man ihn nimmt, und wenn man ihn mit Wasser vorsichtig abschwemmt, so bleiben kleine Blättchen und Körner zurück, die eitel und wirkliches Gold sind. In früheren Jahren haben seltsame Menschen, die weit von der Ferne gekommen sind, das Gold in unsern Bächen gewaschen, und sind reich von dannen gezogen; es haben dann auch mehrere von uns in den Wässern gewaschen und manches gefunden; aber jetzt ist es wieder vergessen worden, und niemand achtet das Wasser weiter, als daß er sein Vieh darin tränkt. Dann liegen noch köstlichere Sachen in demselben. Wenn man eine Muschel findet, und sie die rechte ist, so liegt in ihr eine Perle, die so kostbar ist, daß man sie durchbohrt und, mit mehreren vereinigt, an einer Schnur gefaßt den schönen Frauen als sanften Schmuck um den Hals tut, oder Heiligenbilder umwindet, und heilige Gefäße einfaßt.«
    Wenn die Kinder und die Großmutter lange gesessen waren, standen sie wieder auf und gingen nach Hause.
    Aber auch auf andere Stellen gingen die Kinder mit der Großmutter, sie gingen auf die Wiesen, wo die Schmalz- und Butterblumen waren, und besonders die Vergißmeinnicht, die wie klare Fischäuglein aus den Wellen schauen, und auf einem Gefäße mit Wasser lange auf dem Tische der Mutter blühen. Sie gingen auf den Erdbeerenberg, wo die würzigen Erdbeeren standen, die kleiner, aber besser waren, als die der Vater in Beeten an der Sandlehne zog. Sie gingen in die Felder, wo der brennende Mohn, die blauen Kornblumen und die hellgelben Frauenschühlein blühten.
    Für sich allein standen die Kinder gerne am Bache, wo er sanft fließt und allerlei krause Linien zieht, und blickten auf den Sand, der wohl wie Gold war, wenn die Sonne durch das Wasser auf ihn schien, und der glänzende Blättchen und Körner zeigte. Wenn sie aber mit einem Schäufelchen Sand heraus holten und gut wuschen und schwemmten, so waren die Blättchen Katzensilber, und die Körner waren schneeweiße Stückchen von Kiesel. Muscheln waren wenige zu sehen, und wenn sie eine fanden, so war sie im Innern glatt, und es war keine Perle darin.
    Als Blondköpfchen und Schwarzköpfchen schon schöner und wunderbarer geworden waren, als Sigismund schon groß geworden war, und sie wieder einmal auf dem hohen Nußberge an der dicken, veralteten Haselwurzel saßen, kam aus dem Gebüsche ein fremdes, braunes Kind heraus. Es war ein Mädchen, es war fast so groß und noch schlanker als Blondköpfchen, hatte nackte Arme, die es an der Seite herab hängen ließ, hatte einen nackten Hals, und hatte ein grünes Wams und grüne Höschen an, an welchem viele rote Bänder waren. In dem Angesichte hatte es schwarze Augen, Es blieb an dem Gebüsche der Haseln stehen, und sah auf die Großmutter und auf die Kinder. Die Großmutter sagte nichts, und fuhr fort zu reden.

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