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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Flammen ergriffen. Es war wohl eine Feuerspritze in dem Hause, es war auch Wasservorrat teils im Hause, teils in dem nahen Bache, die Spritze hatte immer auf das Hausdach gespielt, die Hausleute und die Nachbarn, die schnell genug herbei geeilt waren, hatten das Wasser stets in hinreichender Menge heran geschafft; aber die Hitze des Sommers hatte das Holzwerk zu sehr ausgetrocknet, die Gewalt des Feuers auf den angrenzenden Dächern war zu mächtig gewesen, der Wasserstrahl verdünstete fast in der Luft, die Tropfen auf dem Dache waren ohnmächtig, und da das Holzwerk einmal Feuer gefangen hatte, so war das ganze Dach bald ein sausender, krachender, brodelnder Feuerberg. Das Spritzen in die Flamme war nun unnütz, ja es belebte dieselbe nur noch mehr. Die Frau befahl daher, jetzt die Feuerhaken zu gebrauchen, die vielfach in dem Hause vorhanden waren, und die brennenden Sparren von dem Dache so viel als möglich herunter zu reißen.
    Für die Gemächer fürchtete die Frau nicht viel, weil ihre Decken mit sehr dickem Estrich belegt waren, und weil die Glut, die von dem brennenden Dache auf das Estrich fiel, mittelst der Haken und später durch Schaufeln eher entfernt werden konnte, ehe das Estrich so erhitzt würde, daß die Tragbalken ergriffen würden, in Brand gerieten und die Decke einstürzen ließen. Daher hatte sie aus den Gemächern nichts heraus räumen lassen, außer was Mägde bereitwillig und aus unbefohlenem Eifer heraus getragen hatten.
    Da nun die Feuerhaken angelegt waren, und die Männer an ihnen bereit standen, um die Sparren, sobald sie durch das Feuer ein wenig geledigt wären, herunter zu reißen, so glaubte die Frau einen Augenblick für sich gewinnen zu können, weil nun kein Hausteil mehr war, der von der Flamme ergriffen werden konnte, und sie ging hinweg, um nach ihren Kindern in der Laube zu sehen.
    Als sie zur Laube kam, liefen ihr Emma und Clementia entgegen und riefen: »Mutter, wir sind nicht fortgegangen, und haben das Kästchen aufbewahrt.«
    »Wo ist Sigismund?« rief die Mutter.
    »Er wird bei der Großmutter sein«, sagte Emma.
    »War die Großmutter bei euch in der Laube hier?« fragte die Mutter.
    »Nein«, sagten die Kinder.
    »Ist die Großmutter nicht bei euch hier in der Laube gewesen und hat Sigismund mit sich fortgenommen?« fragte die Mutter noch einmal.
    »Mutter, du hast ja Sigismund gar nicht mit uns Über die Stiege mit herab genommen«, riefen die beiden Mädchen einstimmig.
    »Dann muß er ja bei der Großmutter sein«, sagte die Mutter, und rief in den Garten hinaus: »Großmutter, Großmutter!«
    Die Großmutter kam in dem Augenblicke, da sie so gerufen wurde, gegen die Laube herzu, entweder weil sie den Ruf gehört hatte, oder weil sie zu den Kindern gehen wollte.
    »Wo ist Sigismund?« rief ihr die Mutter entgegen. »Ist er nicht bei dir?« antwortete die Großmutter. »Nein«, sagte die Mutter.
    »Ich habe ihn in dem Augenblicke, da Feuer gerufen wurde, gehört,« sagte die Großmutter, »ich habe ihn vor meinem Zimmer Großmutter rufen gehört, und da ich in dem nämlichen Augenblicke auch deine Stimme vernahm, wie du die Kinder zusammen riefst, und da ich dich die vordere Treppe mit ihnen hinunter gehen hörte, so meinte ich, er sei bei dir, sperrte die Tür, die von dem Gange aus dem Kinderzimmer zu meinem Gemache führt, zu, ging durch die andere hinaus, sperrte sie ebenfalls hinter mir zu, und ging über die hintere Treppe herab.«
    Die Mutter durchzuckte ein Strahl.
    Von dem Kinderzimmer führte eine Tür auf einen Gang, der ganz allein zu dem Zimmer der Großmutter ging. Die Tür von dem Kinderzimmer in den Gang fiel gerne ins Schloß, und dasselbe konnte Sigismund mit seiner schwachen Kraft nicht öffnen. Es war daher wahrscheinlich, daß er von dem Kinderzimmer gegen das Zimmer der Großmutter geeilt war, sie zu warnen, daß hinter ihm das Schloß zugefallen war, daß er das Zimmer der Großmutter verschlossen fand, daß er zurück wollte, nicht mehr ins Kinderzimmer konnte, und nun auf dem Gange eingesperrt sei.
    Als diese Gedanken plötzlich durch den Kopf der Mutter liefen, schrie sie: »O du heilige himmlische Barmherzigkeit, dann ist er durch den Gang zu Euch gelaufen, um Euch zu helfen, hat hinter sich die Tür ins Schloß geworfen, konnte in Euer Zimmer nicht hinein, und ist nun auf dem Gange eingeschlossen. Ich habe alle Kinder, wie sie mit ihren Lappen beladen waren, über die Treppe hinabgebracht, ohne zu achten, ob sie zwei oder drei seien. Er

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