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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Braunköpfchen!«
    Und ehe man sichs versah, huschte eine dunkle Gestalt gegen das Haus und kletterte wie ein Eichhörnchen an dem Weingeländer empor, und war in dem nächsten Augenblicke durch das Fenster verschwunden.
    Alle vergaßen ihre Arbeit, oder was sie immer im Herzen hatten, und richteten ihre Augen auf das Fenster.
    Es dauerte nicht lange, so kamen zwei Gestalten am Fenster an. Sie waren durch brennende Balken, die oberhalb ihrer über die Mauer des Hauses hervorragten, wie von Fackeln beleuchtet. Es war das braune Mädchen und Sigismund.
    Ein Schrei ertönte einstimmig aus dem Munde aller Umstehenden bei diesem Anblicke.
    Emma und Clementia kreischten vor Entsetzen und vor Freude.
    Aber die Kinder konnten nicht herunter. Das braune Mädchen hätte es gekonnt; allein den Knaben konnte es nicht auf das Weingeländer bringen. Wie ein Nachtbild, das ein Künstler gemalt und mit der äußeren Glut beleuchtet hat, standen sie in dem schwarzen Rahmen des Fensters.
    »Leintücher, Leintücher, bindet Leintücher zusammen«, riefen mehrere Stimmen hinauf.
    »Da ist eine Leiter,« hörte man unten rufen, »die Leiter wird reichen, sie wird halten, für Kinder hält sie schon.«
    In dem Augenblicke drängten sich der Altknecht und der Pferdeknecht durch die hier zusammengepreßten Menschen, und trugen eine Leiter herbei. Sie war von den Wägen, die aus Gottes Vorsicht und mit dem Willen der Frau gerettet worden waren, genommen und aus zwei Leitern eines Erntewagens zusammen gebunden worden. Sie wurde angelehnt, und reichte.
    Das braune Mädchen stieg zuerst aus dem Fenster. Es faßte festen Fuß auf den Sprossen, und half dann dem Knaben auch aus dem Fenster heraus. Die beiden Kinder kletterten nun schnell und geschickt über die Leiter herab.
    Als sie auf dem Grase waren, kniete das braune Mädchen vor dem Knaben nieder, setzte sich auf seine eigenen Fersen, und sah den Knaben mit den schwarzen Augen an.
    Man hätte in der dunkeln Nacht und bei dem Scheine des Feuers sehen können, wie diese Augen freudesprühend waren, daß er gerettet sei.
    Der Knabe konnte nicht reden, er schwindelte, und es war, als sollte er umfallen.
    Da eilte die Mutter herbei, nahm ihn in die Arme, wischte ihm die Stirne ab, und suchte ihn zu trösten.
    In diesem Augenblicke kam auch die Großmutter, so schnell sie in ihrem Alter laufen konnte, in von der Hast in Unordnung geratenen Kleidern und mit den Schlüsseln in der Hand herbei.
    Da sie den Knaben gerettet sah, bemühte sie sich mit der Mutter um ihn. Die anderen Kinder standen dabei, und viele Menschen drängten sich herzu.
    Da das Kind noch immer im halben Bewußtsein war, so hoben es die Mutter und Großmutter auf, brachten es zum Brunnen im Garten und benetzten dort mit frischem Wasser seine Stirne und Schläfe.
    Da sich der Knabe hierauf erholt hatte, brachten sie ihn in die Laube, in welcher zu Anfang des Feuers die Kinder gewesen waren.
    Während dort die Mutter mit dem Knaben beschäftigt war, ihn zu untersuchen, ob er keine Beschädigung erlitten habe, ihn zu befragen und zu besänftigen, sah man die alte Frau an dem Stamme eines Obstbaumes knieen und mit gefalteten Händen beten.
    Das Kind ward nach und nach beruhigt. Die Mutter richtete ihm die Kleider zurecht, und streichelte ihm die Wangen und die Haare. Die zwei Schwesterlein streichelten ihm auch Locken und Wangen, und gaben ihm Liebkosungen.
    Der Knabe hatte wirklich keine Beschädigung erlitten. Er war in der Tat von der Kinderstube in den Gang geeilt, der zu dem Zimmer der Großmutter führte, um zu ihr zu gehen und ihr zu sagen, daß Feuer in dem Hause sei, und daß sie fortgehen solle. Er hatte auch, wie es ihm öfter geschah, die Gangtür hinter sich zugeworfen, und der Riegel war in den Haken gesprungen. Da er bei der Tür der Großmutter nicht hinein konnte, als er sie auch nicht zu errufen vermochte, wollte er zurück. Allein da sah er erst zu seinem Schreck, daß er die Tür zugesperrt habe. Er versuchte mit allen Kräften den Riegel aufzuziehen, aber die Feder war zu stark, und er konnte nichts ausrichten. Da klopfte er mit beiden Fäusten bald an die Tür der Kinderstube, bald an die der Großmutter. Er schrie auch aus allen Kräften, damit er gehört würde. Allein da er dies eine Weile getan, und ihn niemand vernommen hatte, setzte er sich in dem Gange auf den Boden nieder, und wartete, ob jemand kommen und ihm öffnen würde.
    Er hörte da das Krachen und Sausen des Feuers oberhalb seiner.
    Da kam das

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