Werke
öfter, bis das braune Mädchen auch mit ihr redete, sich immer mehr an das Haus gewöhnte, mit den Kindern in der Stube spielte, und mit ihnen auch im Garten war. Da bekam es von der Mutter auch ein Kleid, welches wie das frühere war, nur daß es viel schöner war, und daß es Ärmel hatte, die bis zu dem Ellbogen herab gingen.
Der Vater bekümmerte sich jetzt wieder um die Herkunft des braunen Mädchens. Er fragte Nachbarn und Bekannte, sie wußten gar nichts von ihm. Er beschloß nun, die Landleute, die armen Häusler, die Holzhauer, die Pechbrenner, die Waldhüttler zu fragen. Er ging deshalb auf den Berg der Ahorne, der hinter der Grenze seiner Besitztümer empor steigt, und wo eine Hütte mit zwei alten Leuten war, die einen jungen Sohn hatten, der Fässer und Bottiche machte und viel in die Wälder kam. Sie wußten nichts. Er ging an dem Steingehege aufwärts, und fragte bei den Hütten der Steinbrecher. Das Kind wird wohl von weiter oben sein, war die Antwort. Er ging weiter hinauf, und fragte. Das Mädchen könne zu den Haideleuten gehören, sagten sie. Er fragte an der Haide, sie antworteten, das Mädchen komme etwa von den Moorhütten herab. Er fragte an den Mooren. Sie wußten dort nichts. Er kam nun zu den hohen Wäldern. Die Holzhauer und Pechbrenner sagten, es gäbe allerlei Leute. Und wenn er das Mädchen beschrieb, so sagten sie insgesamt, sie hätten es schon gesehen, und wenn sie das Mädchen beschrieben, so beschrieb es der eine so, der andere anders, ein jeder auf seine Weise. Der Vater kehrte wieder nach Hause.
Wenn die Mutter das Mädchen selber leise fragte, so war es still und sagte nichts. Die Kinder fragten nie. So verging nun die Zeit.
Das Mädchen kam jetzt auch zuweilen allein zu dem Hause. Wenn man an einem Morgen die Lehnen der Fenster öffnete, stand es naß in dem betauten Grase des Gartens und wartete.
Wenn die Kinder lernen mußten, stand es dabei und sah zu. Plötzlich konnte es einmal die Buchstaben sagen, und konnte dann lesen. Es wurde öfter um das Gelernte gefragt, und zu weiterem Lernen veranlaßt.
Wenn die Großmutter mit den Kindern fort ging, hing es sich so gut an die Schürze derselben wie die anderen Kinder, und ging mit. Einmal über die Nacht in dem Hause zu bleiben und sich in ein Bettlein zu legen, konnte es nicht bewogen werden.
Und wie der Sommer immer vorrückte, wie das Getreide reifte und in die Scheunen gesammelt wurde, und wie der Haber goldig da stand, die leichten Fäden zitterten, und die Hülse den weißen Schnabel aufsperrte, was immer auch die Zeit der Reife der Haselnüsse ist, so gingen die Kinder im Sonnenscheine mit ihren Haselruten auf den hohen Nußberg. Sie gingen nachmittags, wenn sie ihre Aufgaben gelernt und ihre Schriften geschrieben hatten. Das braune Mädchen hatte einen langen Stab, an dem ein gut gerichteter Haken war. Sie gingen über die Sandlehne empor, sie gingen durch die Felsen, durch das Gestrippe und Geniste, sie gingen durch den Wald, über die graue Haide und durch die grauen Steine, wo wieder das Bächlein so lieb wie immer war, die Fischlein spielten, die Wasserjungfern flogen, und die roten Blumen standen, die ein Samenhaus voll weißer Wolle machen würden, sie gingen über das Steingerölle in das Gehege der Nüsse. Sie mußten heuer sehr mühsam suchen, um die wenigen Stellen zu finden, an dellen jetzt Nüsse waren, sie riefen einander, wenn sie sie fanden, und sie langten mit ihren Haken nach den bedeckten Zweigen, und das braune Mädchen schwang sich empor und zog mit seinem Stabe die höchsten Äste herab, daß Braunköpfchen die Nüsse sammeln und m seine lederne Tasche tun konnte. Dann suchte man noch die lieben Stellen des Nußberges, wo allerlei Dinge im Gesteine, im Sande und im Gebüsche waren, und saß dann noch wie gewöhnlich an der alten Wurzel.
Und wie der Haber endlich von den Feldern verschwunden war, wie die Haselstauden sich entfärbten, und die Blätter sich runzelten und rollten, wie auf den Hügeln die weißen Flecke der Stoppeln sich in braune verwandelten, wie auf den Feldern nichts mehr war als die Kartoffeln, der Kohl und die Rüben, wie kein Apfel und keine Birne mehr in den Zweigen der Bäume war, ja wie die Blätter schon von diesen Bäumen abfielen, wie die Blumen, die der Vater vor dem Hause in Töpfen stehen hatte, wieder in die Glashäuser gesammelt wurden, wie die blauen Wachholderbeeren an den Wachholdersträuchen immer blauer wurden, und die grünen schwollen und sich mit einem
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