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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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P rolog
    Eine mondlose Nacht hatte sich über die Altstadt von Ruhrort gesenkt, nur wenige Laternen erleuchteten die Gassen. Der Frühling ließ auf sich warten, Ende Februar hatte noch einmal starker Frost eingesetzt, und in den Nächten wurde es empfindlich kalt.
    Vielleicht war das der Grund dafür, dass es gegen zehn Uhr abends bereits still wurde auf den Straßen. Nur in den zahlreichen Kneipen drängten sich noch die Gäste, kaum einer hatte Lust auf den kalten Heimweg.
    Aus einer Kneipe stolperte ein Betrunkener, ein kleiner Mann ohne Jacke mit zerbeulter Mütze. Ihm folgte ein stattlicher Kerl, der seinen Schlapphut tief ins Gesicht gezogen hatte. «Nicht hier», knurrte er den Betrunkenen an. «Du kennst den Treffpunkt.» Dann verschwand er um die nächste Ecke.
    In der eisigen Nachtluft wurde der Mann mit der Mütze gleich ein wenig nüchtern. Er fror erbärmlich und ging über den Hof zurück in den Gastraum. Das Bier, das ihm von seinen johlenden Freunden angeboten wurde, verschmähte er, griff sich seine Jacke und machte sich auf den Weg.
    Kurz darauf hatte er bereits die Deichstraße überquert und war in die Ludwigstraße eingebogen. Über die Fabrikstraße ging es weiter Richtung Norden aus der Stadt heraus, und bald hatte er die beleuchteten Straßen der Neustadt hinter sich gelassen.
    Er fluchte, weil er keine Laterne bei sich hatte. Die unbefestigte Straße mit ihren Löchern und vereisten Pfützen im Finstern zu gehen war nicht ganz ungefährlich, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Vorsichtig lief er auf die Lichter des Phoenix-Werkes zu, dann vorbei am Hebeturm und am Bahnhof, bis er schließlich wieder in völliger Dunkelheit am Rheindeich stand. In der Ferne sah er noch ein paar Lichter im Dorf Laar.
    Schweigend wartete er an der verabredeten Stelle. Kälte kroch an ihm hoch. In seiner Jackentasche fühlte er ein paar eiskalte Münzen, nur Pfennige, wie er wusste. Heute Abend hatte er in der Kneipe sein letztes Geld versoffen. Aber vielleicht konnte er hier heute Nacht noch etwas verdienen. Er trat mit den Füßen und schlug die Arme um sich. Langsam könnte der Kerl kommen   …
    Und dann, wie aus dem Nichts, stand der Mann mit dem Schlapphut plötzlich neben ihm, breitschultrig und mindestens einen Kopf größer als er. Er hatte eine Laterne bei sich, die er aber kurz zuvor gelöscht haben musste.
    «Du willst also unser Geld?», sagte der Mann leise.
    «Was muss ich dafür tun?», fragte der Kleine zaghaft.
    Da waren Schritte zu hören. Der andere schaute sich um, doch als er merkte, dass keine Gefahr drohte, flüsterte er dem Kleinen etwas zu.
    «Aber ich muss niemanden töten, oder?»
    Der Schlapphut lachte heiser. «Wenn du gesehen wirst – ja. Wir können nicht riskieren, dass man uns entdeckt.»
    Dem Kleinen schien das nicht recht zu sein.
    «Wir können auch jemand anders fragen», sagte der Schlapphut und wandte sich zum Gehen.
    «Nein, nein, schon gut.» Der Kleine hielt ihn am Arm zurück. «Ich mache es. Natürlich kostet das ein wenig», schob er etwas unsicher nach.
    «Hundert Gulden ist uns das wert.»
    Der Schlapphut verstand das Schweigen des Kleinen richtig. «Das sind nicht ganz dreißig von euren Thalern.»
    «Das ist viel Geld», sagte der Kleine.
    «Bist du einverstanden?» Die Stimme des Schlapphuts klang abwartend.
    In diesem Moment begann auf dem Phoenix der nächtliche Hochofenabstich und tauchte alles in hellrotes Licht. Die beiden konnten einander deutlich erkennen.
    Der Schlapphut streckte die Hand aus, und der Kleine schlug ein. Dann gab er ihm den Beutel mit dem Geld. «Das ist die erste Hälfte, die zweite gibt es nach erledigter Arbeit. Sieh zu, dass es in den nächsten Tagen passiert. Wir warten nicht gern. Und vor allem: Halt den Mund!»
    Als würde er das rote Licht des Abstichs scheuen, zog er sich in den Schatten des Deichs zurück und sah dem Kleinen nach, der sich langsam auf den Weg zurück in die Stadt machte. Noch erhellte der Schein des geschmolzenen Eisens seinen Weg.
    Als er erloschen war, trat auch der Schlapphut wieder aus dem Schatten. Er entzündete seine Laterne. Um seinen Mund spielte ein zufriedenes Lächeln. Nun konnte es losgehen.
     

5.   März 1861
1. K apitel
    Es war ein kalter Märzmorgen, der Frühling schien noch sehr weit hin zu sein, denn es hatte seit vier Wochen kräftigen Nachtfrost gegeben. Das war auch der Grund, warum der seltsame kleine Leichenzug, der die Altstadt Richtung Friedhof verließ, erst heute unterwegs war,

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