Werke
Kunst, dem ich die Sache gemeldet hatte, war sogar von ziemlich weiter Entfernung herzugekommen, um die Wiederherstellung zu sehen, und andere, wenn sie auch nicht geladen waren, hatten sich eingefunden, da sie durch Zufall Kenntnis von der Begebenheit erhalten hatten, und wußten, daß sie auf dem Asperhofe nicht unwillkommen sein würden. Es ist nicht wahr, was man öfter sagt, daß eine schöne Frau ohne Schmuck schöner sei als in demselben: und eben so ist es nicht wahr, daß ein Gemälde zu seiner Geltung nicht des Rahmens bedürfe. Ich hatte zu unserem Marienbilde einen Rahmen nach Zeichnungen aus mittelalterlichen Gegenständen bestellt, und hatte dessen Ausführung gelegentlich, wenn mich ein Geschäft oder mein Wille in die Stadt brachte, überwacht. Er war weit eher auf dem Asperhofe angekommen, als das Bild fertig war, und mußte die Zeit über in seiner Kiste verpackt harren. Wir versuchten auch nicht ein einziges Mal das Bild in ihn zu fügen, ehe es fertig war, um den Eindruck nicht zu schwächen. Bei neuen Bildern zeigt freilich der Rahmen erst, daß noch manches hinzuzufügen und zu ändern ist, und vieles muß an solchenBildern erst gemacht werden, wenn man sie bereits in einem Rahmen gesehen hat. Bei alten Bildern, die wiederhergestellt werden, ist das anders, besonders, wenn sie auf unsere Weise hergestellt werden. Da gibt das Vorhandene den Weg der Herstellung an, man kann nicht anders malen, als man malt, und die Tiefe, das Feuer und der Glanz der Farben ist daher durch das bereits auf der Leinwand Befindliche bedingt. Wie dann das Bild in einem Rahmen aussehen werde, liegt nicht in der Willkür des Wiederherstellers, und wenn es in dem Rahmen trefflich oder minder gut steht, so ist das Sache des ursprünglichen Meisters, dessen Werk man nicht ändern darf. Als unsere Maria, welche noch nicht einmal einen Firnis erhalten hatte, aus den altertümlichen Gestalten des Rahmens, die sehr paßten, heraussah, so war es ein wunderbarer Anblick, und erst jetzt sahen wir, welche Lieblichkeit und Kraft der alte Meister in seinem Bilde dargelegt hatte. Obwohl der Rahmen erhabene Arbeit in Blumen, Verzierungen und sogar in Teilen der menschlichen Gestalt enthielt, und auf demselben Glanzlichter von starker Wirkung angebracht waren, so erschien das Bild doch nicht unruhig, ja es beherrschte den Rahmen und machte seinen Reichtum zu einer anmutigen Mannigfaltigkeit, während es selber durch seine Gewalt sich geltend machte und in den erhebenden Farben von würdigem Schmucke umgehen thronte.Ein leiser Ruf entschlüpfte den Lippen aller Anwesenden, und ich freute mich, daß ich mich nicht getäuscht hatte, als ich, auf die Macht des Bildes rechnend, einen so reichen Rahmen für dasselbe bestellt hatte. Wir standen lange davor und betrachteten die Schönheit der Farbengebung an den entblößten Teilen so wie die der Gewandung und der Gründe, was im Vereine mit der Einfachheit und Hoheit der Linienführung und mit der maßvollen Anordnung der Flächen ein so würdevolles und heiliges Ganzes bildete, daß man sich eines tiefen Ernstes nicht erwehren konnte, der wie wahrhaftige Andacht war. Erst später fingen wir zu sprechen an, beredeten dieses und jenes, und kamen, wie es natürlich war, dahin, Vermutungen über den Meister zu wagen. Es wurde Guido Reni genannt, es wurde Tizian genannt, es wurde die Raffaelische Schule genannt. Für alles hatte man Gründe, und der Schluß war, wie er es auch noch heute ist, daß man nicht wußte, von wem das Bild sei. Roland war außerordentlich vergnügt, daß er die Sache in ihrer Entstellung schon geahnt und durch den Kauf eine so zweckmäßige Handlung ausgeführt habe. Damals war er noch außerordentlich jung, er war bei weitem nicht so eingeübt wie jetzt, und war daher seiner Handlung nicht ganz sicher. Eustach sah man es an, daß ihm, wie der Volksausdruck sagt, das Herz vor Freude lache. Eine freundliche Bewirtung meiner Gäste wardamals das Ende des Tages. Wir suchten in der folgenden Zeit eine Stelle, an welcher das Bild am vorteilhaftesten aufgehängt werden könnte. Roland erhielt eine Belohnung in einem Werke, das er sich schon längst gewünscht hatte, und Eustach, das sah ich wohl, fand seine schönste Befriedigung darin, daß er näher in unsere Kunstkreise gezogen wurde. Dem Manne, von welchem das Bild in seinem verstümmelten Zustande gekauft worden war, gab ich noch eine Summe, mit welcher er weit über seine Erwartung abgefunden war; denn das Bild hätte er
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