Werke
führen, mich die Bilder betrachten zu lassen und mit mir darüber zu sprechen. Er nahm sie öfter herab und stellte sie auf dem Tische oder auf einem Sessel so auf, daß sie in dem besten Lichte standen. Ich brachte merkwürdige Tage in jener Zeit in dem Rosenhause meines Freundes zu. Mein Wesen war in einer hohen, in einer edlen und veredelnden Stimmung.
Ich fragte ihn einmal, woher er denn die Bilder erhalten habe.
»Sie sind recht nach und nach in das Haus gekommen, wie es der Sammelfleiß und mitunter auch der Zufall gefügt hat«, antwortete er. »Ich habe von einem Oheime mehrere geerbt; sie waren aber nicht die besten, wie ich sie jetzt habe, ich verkaufte einen Teil davon, um mir andere, wenn auch wenigere, aber bessere zu kaufen. Ich habe Euch schon einmal gesagt, daß ich in Italien gewesen bin. Ich habe drei Reisen in dieses Land gemacht. Da hat sich manches gefunden. Ich habe stets nach Bildern gesucht, habe manches gekauft, manches wieder verkauft, Neues gekauft, und so war ein fortlaufender Wechsel, bis es so wurde, wie es jetzt ist. Nun aber verkaufe oder vertausche ich nichts mehr, selbst wenn mir etwas Außerordentliches vorkäme, das ich nicht ohne Weggabe eines Früheren erkaufen könnte. Mit dem Alter wird man so anhänglich an das Gewohnte, daß man es nicht missen kann, wenn es auch verbraucht zu werden beginnt und verschossen und verschollen ist. Ich lege alte Kleider nicht gerne ab, und wenn ich eines der Bilder, die mich nun so lange umgeben, aus dem Hause lassen müßte, so würde ich einem großen Schmerze nicht entgehen. Sie mögen nun bleiben, wie sie sind, und wo sie sind, bis ich scheide. Selbst der Gedanke, daß ein Nachfolger die Bilder so lasse und sie ehre, wie sie hier sind, hat für mich etwas sehr Angenehmes, obwohl er töricht ist und ich ihm aus dem Wege gehe; denn darin besteht das Leben der Welt, daß ein Streben und Erringen und darum ein Wandel ist, welcher Wandel auch hier eintreten wird. Ich habe auch längere Zeit schon nichts mehr gekauft, außer einer rechtlieben kleinen Landschaft von Ruysdael, die neben der Tür im Bilderzimmer hängt, und die Ihr so gerne anschaut. Ich würde nur etwas sehr Wertvolles kaufen, in so ferne es meine Kräfte zuließen. Ich habe oft Jahre lang auf ein Bild warten müssen, das mir sehr gefiel, und das ich zu haben wünschte, entweder, weil der Besitzer eigensinnig war und, obwohl er das Bild weggeben wollte, doch Bedingungen an die Hingabe knüpfte, die nicht zu erfüllen waren, oder weil er sich von dem Bilde nicht trennen wollte, obgleich er es mißhandelte und zu Grunde gehen ließ. Zuweilen mußte ich schlechtere Bilder kaufen, die durch Farbenreiz oder andere Eigenschaften das Auge ansprachen, um einen Vorrat zum Tausche zu haben. Es gibt nämlich Leute, welche Freude an Bildern haben, welche ältere, bedeutende Bilder nicht weggehen, wenn sie solche besitzen, sie aber doch nicht erkennen und sie durch schlechte Behandlung Schaden leiden lassen. Sie ziehen ein Gemälde vor, welches sie besser verstehen, welches ihnen mehr gefällt, wenn es auch im Werte minder ist, und sind zu einem Tausche bereit. Dieser macht ihnen Freude, und wenn ich ihnen darlegte, daß ihr Gemälde einen höheren Wert habe als das meinige, und wenn ich diesen Wert nach genauer Schätzung durch Geld ausglich, so war das Vergnügen noch größer; denn sie zweifelten doch immer, ob ich recht habe und das alte Bild nicht ausVorliebe überschätze, da ihnen ja ihre Augen sagten, daß der Unterschied nicht so groß sei. Auf diese Weise bekam ich manches Angenehme, ohne meinem Billigkeitsgefühle nahe treten zu müssen, was bei Bildergeschäften so leicht der Fall wird. Die heilige Maria mit dem Kinde, welche Euch so wohl gefällt, und welche ich beinahe eine Zierde meiner Sammlung nennen möchte, hat mir Roland auf dem Dachboden eines Hauses gefunden. Er war dorthin mit dem Eigentümer gestiegen, um altes Eisenwerk, darunter sich mittelalterliche Sporen und eine Klinge befanden, zu kaufen. Das Bild war ohne Blindrahmen, und war nicht etwa zusammengerollt, sondern wie ein Tuch zusammengelegt, und lag im Staube. Roland konnte nicht genau erkennen, ob es einen Wert habe, und kaufte es dem Manne um ein Geringes ab. Ein Soldat hatte es einmal aus Italien geschickt. Er hatte es als bloße Packleinwand benützt, und hatte Wäsche und alte Kleider in dasselbe getan, die ihm zu Hause ausgebessert werden sollten. Darum hatte das Bild Brüche, wo nämlich die Leinwand
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