Werke
Darum ist auch die Kunst so groß, weil es noch unzählige Erhebungen zum Göttlichen gibt, ohne daß sie den Kunstausdruck finden, Ergebung, Pflichttreue, das Gebet, Reinheit des Wandels, woran wir uns auch erfreuen, ja woran die Freude den höchsten Gipfel erreichen kann, ohne daß sie doch Kunstgefühl wird. Sie kann etwas Höheres sein, sie wird als Höchstes dem Unendlichen gegenüber sogar Anbetung, und ist daher ernster und strenger als das Kunstgefühl, hat aber nicht das Holde des Reizes desselben. Daher ist die Kunst nur möglich in einer gewissen Beschränkung, in der die Annäherung zu dem Göttlichen von dem Banne der Sinne umringt ist und gerade ihren Ausdruck in den Sinnen findet. Darum hat nur der Mensch allein die Kunst, und wird sie haben, so lange er ist, wie sehr die Äußerungen derselben auch wechseln mögen. Es wäre deshöchsten Wunsches würdig, wenn nach Abschluß des Menschlichen ein Geist die gesamte Kunst des menschlichen Geschlechtes von ihrem Entstehen bis zu ihrem Vergehen zusammenfassen und überschauen dürfte.«
Mathilde antwortete hierauf mit Lächeln: »Das wäre ja im Großen, was du jetzt im Kleinen tust, und es dürfte hiezu eine ewige Zeit und ein unendlicher Raum nötig sein.«
»Wer weiß, wie es mit diese n Dingen ist,« erwiderte mein Gastfreund, »und es wird hier wie überall gut sein: Ergebung, Vertrauen, Warten.«
Eustach öffnete die Mappe, in welcher er die Zeichnung des Altares und die Zeichnungen von Teilen der Kirche, von der Kirche selber und von Gegenständen hatte, die sich in der Kirche befanden.
Wir verglichen die Zeichnung mit dem Altare, es wurde manches bemerkt, manches gelobt, manches zur Verbesserung der Zeichnung vorgeschlagen.
Wir betrachteten auch die Kirche, wir betrachteten Teile derselben, wir besahen Grabmäler, und unter ihnen auch den großen roten Stein, auf welchem der Mann mit der hohen, schönen Stirne abgebildet ist, der die Kirche und den Altar gegründet hatte.
Wir blieben an diesem Tage in Kerberg. Wir stiegen auf den Berg, auf welchem das alte Schloß lag, und sahen das Schloß und den in dem tiefsten herbstlichen Zustande stehenden Garten an. Wir gingen auf den Stellen, auf welchen die alten mächtigen und reichen Leute gegangen waren, die einst hier gewohnt hatten, und auch der Mann, als dessen Tat die Kirche in dem Tale steht.
»Was alle diese Menschen getan haben,« sagte mein Gastfreund, »wäre zum Teile in den Papieren und Pergamenten enthalten, die in den Schlössern und Häusern dieses Landes und mitunter auch in entfernten Städten liegen. Einige wissen einen Teil dieser Taten, die meisten sind damit völlig unbekannt, und diejenigen, welche auf den Spuren herum gehen, die ihre Vorfahren getreten haben, wissen oft nicht, wer diese gewesen sind. Es wäre nicht unziemlich, wenn durch Öffnung der Briefgewölbe in allen Ländern auch Einzelgeschichten von Familien und Gegenden verfaßt würden, die unser Herz oft näher berühren und uns greiflicher sind als die großen Geschichten der großen Reiche. Man betritt wohl diesen Weg, aber vielleicht nicht ausreichend und nicht in der rechten Art.«
Von Kerberg aus wendeten wir uns am folgenden Tage den höher gelegenen Teilen des Landes zu, das dichter und ausgebreiteter bewaldet war als die bisher befahrenen Gegenden, und von dem uns durch das Dämmer des Vormittages die breiten und weithinziehenden Bergesrücken mit Nadeldunkel und Buchenrot entgegen sahen.
Mein Gastfreund hatte recht gehabt. Ein Tag wurde immer schöner als der andere. Nicht der geringste Nebel war auf der Erde, auf welcher wir reiseten, nicht das geringste Wölkchen am Himmel, der sich über uns spannte. Die Sonne begleitete uns freundlich an jedem Tage, und wenn sie schied, schien sie zu versprechen, morgen wieder so freundlich zu erscheinen.
Roland blieb drei Tage bei uns, dann verließ er uns, nachdem er vorher noch Zeichnungen und andere Papiere in den Wagen meines Gastfreundes gepackt hatte. Er wollte noch bis zum Eintritt des schlechten Wetters in dem Lande bleiben und dann in das Rosenhaus zurückkehren.
Alles war recht lieb und freundlich auf dieser Reise, die Gespräche waren traulich und angenehm, und jedes Ding, eine kleine alte Kirche, in der einst Gläubige gebetet, eine Mauertrümmer auf einem Berge, wo einst mächtige und gebietende Menschen gehaust hatten, ein Baum auf einer Anhöhe, der allein stand, ein Häuschen an dem Wege, auf das die Sonne schien, alles gewann einen
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