Werke
äußeren Linien sah, so weit ich dieselbe darzustellen vermochte, und wenn ich nur die Farben annäherungsweise zu erringen im Stande war, so glaubte ich mein Ziel erreicht zu haben: jetzt sah ich aber auf den Ausdruck, gleichsam, wenn ich das Wort gebrauchen darf, auf die Seele, welche durch die Linien und die Farben dargestellt wird. Seit ich die Marmorgestalt in dem Hause meines Gastfreundes so lieben gelernt hatte und in die Bilder mich vertiefte, welche ich in dem Rosenhause getroffen hatte und in dem Hause meines Vaters vorfand, war alles anders als früher, ich suchte und haschte nach irgend einem Innern, nach irgend etwas, das weit außer dem Bereiche von Linien und Farben lag, das größer war als diese Dinge, und doch durch sie darzustellen sein mußte. Einen Kopf so zu zeichnen oder gar zu malen, wie ich jetzt wollte, war viel schwerer, als wie ich früher anstrebte, es war, ohne einen Vergleich zuzulassen, schwerer; aber es war nicht zu umgehen, wenn man überhaupt die Sache machen wollte, es war dichten, wenn ein Dichtungswerk geliefert sein sollte. Ich stellte meine Aufgabe kleiner, ich suchte die Züge auf einem bescheidenen Raume zu entwerfen, und begnügte mich mit den Andeutungen in Zeichnung und Farben, wenn nur ein Inneres zu sprechen begann, ohne daß ich darauf beharrte, daß aus dem Begonnenen ein ausgeführtes Bild werden sollte, was nicht selten, wenn ich es versuchte, das Innere wieder vertilgte und das Gemälde seelenlos machte. Mein Vater wurde der Richter, und war jetzt ein strenger, während er früher alles einfach hatte gelten lassen, was ich unternahm. Er pflegte zu sagen, das, was ich jetzt vor Augen habe, sei das Künstlerische, mein Früheres sei ein Vergnügen gewesen. Ich nahm häufig, wenn ichnicht in das Reine kommen konnte, zu den Bildern meine Zuflucht, und suchte zu ergründen, wie es dieser und jener gemacht habe, um zu dem Ausdrucke zu gelangen, den er darstellte. Mein Vater sagte, das sei der geschichtliche Weg der Kunst, man könne ihn verfolgen, wenn man große Bildersammlungen besuche, und wenn die Werke ohne große Lücken da sind, um sie vergleichen zu können. Das sei auch außer der genauesten Betrachtung der Natur und der Liebe zu ihr der Weg, auf dem die Kunst wachse, und auf dem sie bei den verschiedenen Anfängen, die sie in verschiedenen Zeiten und Räumen gehabt habe, gewachsen ist, bis sie wieder versank oder zerstört wurde, um wieder zu beginnen, und zu versuchen, ob sie steigen könne. Wo der bare Hochmut auftritt, der alles Gewesene verwirft und aus sich schaffen will, dort ist es mit der Kunst wie auch mit andern Dingen in dieser Welt aus, und man wirft sich in das bloße Leere.
Außer dem Zeichnungsunterrichte setzte ich mit der Schwester auch die Übungen in der spanischen Sprache und im Zitherspiele fort. Sie war ohnehin von Kindheit an geneigt gewesen, alles, was ich tat, ein wenig nachzuahmen, und ich hatte immer die Lust gehabt, ihr Führer zu werden. Dies blieb jetzt zum Teile auch so fort.
Der Unterricht, welchen mir mein Freund, der Sohn des Juwelenhändlers, in der Edelsteinkunde gegeben hatte, wurde wieder aufgenommen und fortgesetzt. Da wir auch außerdem in manchen Stunden einen freundlichen Umgang mit einander pflegten, so nahm ich mir eines Tages, obwohl es mir stets schwer wird, jemanden über seinen ihm eigentümlichen Beruf etwas zu sagen, doch den Mut, ihn meine Gedanken über die Fassung der Edelsteine wissen zu lassen, wie ich nämlich glaube, daß es nicht richtig sei, wenn die Edelsteine von der Fassung erdrückt würden; daß ich es aber auch für nicht richtig halte, wenn sie keine andere Fassung hätten, als die sie brauchten, um an dem Kleidungsstücke mit dem Halt, den sie benötigen, befestigt werden zu können; und daß daher der Mittelweg sich darbiete, daß die Schönheit des Steines durch die Schönheit der Gestaltgebung vergrößert werde, wodurch es sich möglich mache, daß der an sich so kostbare Stoff das Kostbarste würde, nämlich ein Kunstwerk. Ich wies hiebei auf die Gestaltungen hin, welche die Kunst des Mittelalters hege, und aus denen geschöpft und weiter fortgeschritten werden könne.
»Du hast im Grunde vollkommen recht,« erwiderte mein Freund, »wir fühlen das alle mehr oder minder klar, außer denen, welchen alles gleichgültig und unwesentlich ist, was nicht unmittelbar zum Erwerbe führt; darum sind auch allerlei Versuche gemacht worden, und werden noch gemacht, die Fassung zu vergeistigen. Sie
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