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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Malerei und über die neuere Musik recht habe. Allein der Vater arbeitete so ruhig in seinem Berufsgeschäfte weiter, er war in alle Einzelheiten desselben so vertieft und sorgte für den regelmäßigen Fortgang desselben, daß es nicht leicht zu erwarten war, daß er sich zu einer Reise entschließen würde.
    Gegen das Ende unseres Gespräches kam auch die Mutter und Klotilde herein. Das Angesicht der Mutter wurde sehr heiter, als sie uns bei den Steinen stehen sah, als sie sah, daß der Vater sie mir zeigte und erklärte, und als sie auch erkennen mochte, daß in dem Wesen des Vaters eine Freude sei, und daß die Annäherung, die sie geahnt habe, wirklich eingetreten sei.
    Wir gingen noch einige Male bald in das Bilderzimmer, bald in das Altertumszimmer, in welchem noch immer die Lade mit den Steinen auf dem Tische stand, und redeten über Verschiedenes.
    »Diese Kunstwerke«, sagte der Vater, da er die Steine wieder verschlossen hatte, und da wir uns aus diesem Zimmer entfernten, »könnt ihr in euren Besitz bringen. Wenn ihr Sinn und tiefe Liebe für dieselben habet, so werdet ihr sie nach unserem Tode in einer von mir gemachten und, wie ich glaube, gerechten Teilung empfangen. Sterbe ich vor eurer Mutter, so bleiben sie als Denkmal unseres friedlichen Hauses in der Lage, in der sie jetzt sind, und sie werden euch erst eingehändigt, wenn mir auch die Mutter gefolgt ist. Will Klotilde dir ihren Anteil abtreten, so ist die Summe schon bestimmt, welche du ihr dafür geben mußt, und so auch umgekehrt. Ist bei beiden nach unserm Absterben eine solche Liebe zu diesen Bildern und Steinen nicht vorhanden, daß ihr sie unzersplittert bewahret, so ist schon bestimmt, daß auf eure hierin eingeholte Erklärung dieselben gegen ein Entgelt, das nicht unbillig ist, an einen Ort übergehen, an welchem sie beisammen bleiben. Ich glaube aber wohl, daß diese Neigung in unserm Hause fortdauern werde.«
    Wir antworteten auf diese Rede nichts, weil sie einen Gegenstand berührte, der, wie entfernt wir ihn uns auch denken mußten, doch schmerzlich auf uns einwirkte.
    Ich verlegte mich nach dieser gemachten Erfahrung mit noch größerem Eifer auf die Kenntnis der Werke der bildenden Kunst. Ich lernte mich in die Bilder des Vaters bis in die kleinsten Einzelheiten hinein, und war zu diesem Zwecke sehr oft und zuweilen lange in dem Bilderzimmer, ich besuchte alle größeren zugänglichen Sammlungen und suchte deren Bilder zu ergründen, ich besah alle Bildnerwerke, die in unserer Stadt einen Ruf hatten, und strebte nach einer genauen Kenntnis ihrer Beschaffenheiten, ich las endlich namhafte Werke über die Kunst und verglich meine Gedanken und Gefühle mit den in den Büchern gefundenen. Ich sprach viel mit meinem Vater über diese Gegenstände, wir näherten uns immer mehr, meine Empfindungen wurden stets inniger, und ich versenkte meine Seele in sie. Unsern Erzdom bewunderte ich jetzt in einem höheren Maße als in allen früheren Zeiten, und ich stand manche Stunde vor seinem ungeheuren Baue. Selbst die Gebilde der Mathematik, wenn ich wieder zu Zeiten etwas in ihr zu tun hatte, erschienen mir zuweilen schön und zierlich, was mir namentlich bei einigen französischen Mathematikern geschah. Das Malen schöner Köpfe setzte ich fort, und eben so wurde das Zeichnen und Malen von Landschaften, welches ich im vorigen Jahre mit der Schwester begonnen hatte, nicht bei Seite gesetzt. Ich nahm mit ihr die Zeichnungen vor, welche sie im vergangenen Sommer während meiner Abwesenheit gemacht hatte, und so wie ich von meinem Gastfreunde, von Eustach und von dem Vater über die Fehler belehrt worden war, die sich in meinen Landschaftsversuchen befanden, so belehrte ich Klotilden wiederüber die ihrigen.
    Seit ich Mathilden kannte, besonders aber jetzt, nachdem ich öfter in ihrer Gesellschaft gewesen war, und im Spätherbste die Reise mit ihr und den andern in das Hochland gemacht hatte, war ich auch auf die Angesichter ältlicher und alter Frauen aufmerksam geworden. Man tut sehr unrecht, und ich bin mir bewußt, daß ich es auch getan habe, und gewiß handeln andere Leute in ihrer Jugend ebenfalls so, wenn man die Angesichter von Frauen und Mädchen, sobald sie ein gewisses Alter erreicht haben, sofort beseitigt! und sie für etwas hält, das die Betrachtung nicht mehr lohnt. Ich fing jetzt zu denken an, daß es anders sei. Die große Schönheit und Jugend reißt unsere Aufmerksamkeit hin und erregt ein tiefstes Gefallen; warum sollten wir

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