Werke
ihr sehr willkommen sei, daß sie mich schon früher erwartet habe, und daß ich nun eine nicht zu kurze Zeit meinen hiesigen Freunden schenken müsse. Wir gingen unter diesen Worten wieder zu dem Tische zurück, auf den sie ihr Buch gelegt hatte, und sie hieß mich an ihm Platz nehmen. Ich setzte mich auf einen der dastehenden Stühle. Gustav blieb neben uns stehen. Ihr Angesicht war so heiter und freundlich, daß ich meinte, es nie so gesehen zu haben. Oder es war wohl immer so, nur in meiner Erinnerung war es ein wenig zurück getreten. Wirklich, so oft ich Mathilden nach längerer Trennung sah, erschien sie mir, obwohl sie eine alternde Frau war, immer lieblicher und immer anmutiger. Zwischen den Fältchen des Alters und auf den Zügen, welche auf eine Reihe von Jahren wiesen, wohnte eine Schönheit, welche rührte und Zutrauen erweckte. Und mehr als diese Schönheit war es, wie ich wohl jetzt erkannte, da ich so viele Angesichter so genau betrachtet hatte, um sie nachzubilden, die Seele, welche gütig und abgeschlossen sich darstellte und auf die Menschen, die ihr naheten, wirkte. Um die reine Stirne zog sich das Weiß der Haubenkrause, und ähnliche weiße Streifen waren um die feinen Hände. Auf dem Tische stand ein Blumentopf mit einer dunkeln, fast veilchenblauen Rose. Sie lehnte sich in dem Rohrstuhle, auf dem sie saß, zurück, faltete die Hände auf ihrem Schoße und sagte: »Wir werden in dem Sternenhofe ein kleines Fest feiern. Ihr wißt, daß wir begonnen haben, die Tünche, womit die großen Steinflächen, die die Mauern unsers Hauses bekleiden, in früheren Jahren überstrichen worden sind, wegzunehmen, weil unser Freund meinte, daß dieselbe das Haus entstelle, und daß es sich weit schöner zeigen würde, wenn sie weggenommen und der bloße Stein sichtbar wäre. Heuer ist nun die ganze vordere Fläche des Hauses fertig geworden! die Gerüste werden eben abgebrochen, und da werden, wenn die Spuren auch auf dem Boden vor dem Hause vertilgt sind, wenn der Sand geebnet ist, wenn der Rasen gereinigt und gewaschen ist, daß er keine Kalkflecke, sondern das reine Grün zeigt wir alle hinausfahren, um die Sache zu betrachten und ein Urteil abzugeben, ob das Haus den Gewinn gemacht habe, der sich uns versprochen hat. Es werden auch andere Menschen kommen, es werden wahrscheinlich sich einige Nachbarn einfinden, und da Ihr zu unsern Freundenaus dem Asperhofe gehört, und da wir alle Euer Urteil in Anschlag bringen möchten, so seid Ihr gebeten, auch dabei zu sein und die Gesellschaft zu vermehren.«
»Mein Urteil ist wohl sehr geringe,« antwortete ich, »und wenn es nicht ganz verwerflich ist, und wenn ich mir einige Kenntnisse und eine bestimmte Empfindung des Schönen erworben habe, so danke ich alles dem Besitzer dieses Hauses, der mich so gütig aufgenommen und manches in mir hervor gezogen hat, das wohl sonst nie zu irgend einer Bedeutung gekommen wäre. Ich werde also kaum zur Feststellung der Sache auf dem Sternenhofe etwas beitragen können, und meine Ansicht wird gewiß die meines Gastfreundes und Eustachs sein, aber da Ihr mich so freundlich einladet, und da es mir eine Freude macht, in Eurem Hause sein zu können, so nehme ich die Einladung gerne an, vorausgesetzt, daß die Zeit nicht zu spät bestimmt ist, da ich doch wohl noch in diesem Sommer in den Ort meiner jetzigen Tätigkeit zurückkehren und einiges vor mich bringen möchte.«
»Die Zeit ist sehr nahe,« erwiderte sie, »es ist ohnehin schon seit länger her gebräuchlich, daß nach der Rosenblüte, zu welcher ich immer in diesem Hause eingeladen bin, unsere hiesigen Freunde auf eine Weile in den Sternenhof hinüber fahren. Das wird auch heuer so sein. Während hier die feinen Blätter dieser Blumen sich vollkommen entwickeln und endlich welken und abfallen, wird unser Hausverwalter in dem Sternenhofe alles in Ordnung bringen, daß keine Verwirrung mehr zu sehr sichtbar ist, er wird uns hierüber einen Brief schreiben, und wir werden den Tag der Zusammenkunft bestimmen. Von dem Urteile, wenn irgend eines mit einem überwiegenden Gewichte zu Stande kömmt, wird es abhängen, ob auch die Kosten zu der Reinigung der andern Teile des Hauses verwendet werden, oder ob der jetzige Zustand, daß eine Seite von der Tünche befreit ist, die übrigen aber damit behaftet sind, der gewiß weniger schön ist, als wenn alles übertüncht geblieben wäre, fortbestehen, oder ob gar das Befreite wieder übertüncht werden solle. Daß Ihr übrigens Eure
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