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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Ansichten geringe achtet, daran tut Ihr unrecht. Wenn in der Nähe unsers Freundes einiges an Euch früher zur Blüte kam, so ist dies wohl sehr natürlich; es ist ja alles an uns Menschen so, daß es wieder von andern Menschen groß gezogen wird, und es ist das glückliche Vorrecht bedeutender Menschen, daß sie in andern auch das Bedeutende, das wohl sonst später zum Vorscheine gekommen wäre, früher entwickeln. Wie sicher in Euch die Anlage zu dem Höheren und Größeren vorhanden war, zeigt schon die Wahl, mit der Ihr aus eigenem Antriebe auf eine wissenschaftliche Beschäftigung gekommen seid, die sonst unsere jungenLeute in den Jahren, in denen Ihr Euch entschieden habt, nicht zu ergreifen pflegen, und daß Euer Herz dem Schönen zugewendet war, geht daraus hervor, daß Ihr schon bald begannet, die Gegenstände Eurer Wissenschaft abzubilden, worauf der, dem der bildende Sinn mangelt, nicht so leicht verfällt, er macht sich eher schriftliche Verzeichnisse, und endlich habt Ihr ja in kurzem die Abbildung anderer Dinge, menschlicher Köpfe, Landschaften versucht, und habt Euch auf die Dichter gewendet. Daß es aber auch nicht ein unglücklicher Tag war, an welchem Ihr über diesen Hügel herauf ginget, zeigt sich in einer Tatsache: Ihr liebt den Besitzer dieses Hauses, und einen Menschen lieben können ist für den, der das Gefühl hat, ein großer Gewinn.«
    Gustav hatte während dieser Rede die Mutter stets freundlich angesehen.
    Ich aber sagte: »Er ist ein ungewöhnlicher, ein ganz außerordentlicher Mensch.«
    Sie erwiderte auf diese Worte nichts, sondern schwieg eine Weile. Später fing sie wieder an: »Ich habe mir diese Rosenpflanze auf den Tisch gestellt, gewissermaßen als die Gesellschafterin meines Lesens – gefällt Euch die Blume?«
    »Sie gefällt mir sehr,« antwortete ich, »wie mir überhaupt alle Rosen gefallen, die in diesem Hause gezogen werden.«
    »Sie ist eine neue Art,« sagte sie, »ich habe aus England einen Brief bekommen, in welchem eine Freundin mit Auszeichnung von einer Rose sprach, die sie in Kew gesehen habe, und deren Namen sie hinzu fügte. Da ich in dem Verzeichnisse unserer Rosen den Namen nicht fand, dachte ich, daß dies eine Art sein dürfte, welche unser Freund nicht hat. Ich schrieb an die Freundin, ob sie mir eine solche Rosenpflanze verschaffen könne. Mit Hilfe eines Mannes, der uns beide kennt, erhielt sie die Pflanze und in diesem Frühlinge wurde sie mir in einem Topfe sehr wohl und sinnreich verpackt aus England geschickt. Ich pflegte sie, und da die Blumen sich entwickeln wollten, brachte ich sie unserm Freunde. Die Rosen öffneten sich hier vollends, und wir sahen – besonders er, der alle Merkmale genau kennt –, daß diese Blume sich in der Sammlung dieses Hauses noch nicht befindet. Eustach bildete sie ab, daß wir sie festhalten, und ob die, welche in Zukunft kommen werden, ihr gleichen. Mein Freund schrieb nach England um Pfropfreiser für den nächsten Frühling, diese Pflanze bleibt indessen in dem Topfe und wird hier besorgt werden.«
    Während sie so sprach, regten sich die Zweige neben einem schmalen Pfade, der aus dem Gebüsche auf den Platz führte, und Natalie trat auf dem Pfade hervor. Sie war erhitzt, und trug einen Strauß von Feldblumen in der Hand. Sie mußte nicht gewußt haben, daß ein Fremder bei der Mutter sei; denn sie erschrak sehr, und mir schien, als ginge durch das Rot des erwärmten Angesichtes eine Blässe, die wieder mit einem noch stärkeren Rot wechselte. Ich war ebenfalls beinahe erschrocken und stand auf.
    Sie war an der Ecke des Gebüsches stehen geblieben, und ich sagte die Worte: »Mich freut es sehr, mein Fräulein, Euch so wohl zu sehen.«
    »Mich freut es auch, daß Ihr wohl seid«, erwiderte sie.
    »Mein Kind, du bist sehr erhitzt,« sagte die Mutter, »du mußt weit gewesen sein, es kömmt schon die Mittagsstunde, und in derselben solltest du nicht so weit gehen. Setze dich ein wenig auf einen dieser Sessel, aber setze dich in die Sonne, damit du nicht zu schnell abkühlest.« Natalie blieb noch ein ganz kleines Weilchen stehen, dann rückte sie folgsam einen von den herumstehenden Sesseln so, daß er ganz von der Sonne beschienen wurde, und setzte sich auf ihn. Sie hatte den runden Hut mit dem nicht gar großen Schirme, wie ihn Mathilde und sie sehr gerne auf Spaziergängen in der Nähe des Rosenhauses und des Sternenhofes trugen, als sie aus dem Gebüsche getreten war, in der Hand gehabt, jetzt, da die Sonne auf

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