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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Gegend herum.
    Eines Nachmittages waren wir in dem Rosenzimmer. Mathilde sprach recht freundlich von verschiedenen Gegenständen des Lebens, von den Erscheinungen desselben, wie man sie aufnehmen müsse, und wie sie in dem Laufe der Jahre sich ablösen. Mein Gastfreund antwortete ihr. Bei dieser Gelegenheit sah ich erst, wie zart und schön für das Zimmer gesorgt worden war; denn die vier an Größe wie an Rahmen gleichen Gemälde, die in demselben hingen, waren trotz ihrer Kleinheit bei weitem das Herrlichste und Außerordentlichste, was es an Gemälden im Rosenhause gab. Ich hatte mein Urteil doch schon so weit gebildet, um bei dem großen Unterschiede, der da waltete, das einsehen zu können. Doch leitete ich auch meinen Gastfreund auf den Gegenstand, und er gab meine Wahrnehmung freilich in sehr bescheidenen Ausdrücken, weil Mathilde zugegen war, zu. Wir besahen, nachdem das Gespräch eine Wendung genommen hatte, die Bilder, und machten uns auf das Zarte, Liebliche und Hohe derselben aufmerksam.
    Besuche, wie gewöhnlich zur Rosenzeit, kamen auch heuer; aber ich mischte mich weniger als etwa in früheren Jahren unter die Leute.
    Natalie ging wirklich, wie ich jetzt selber wahrnahm, in diesem Sommer mehr als in vergangenen im Garten und in der Gegend herum, sie ging viel weiter, und ging auch öfter allein. Sie ging nicht bloß bei dem großen Kirschbaume öfter in das Freie, und ging dort zwischen den Saaten herum, sondern sie ging auch geradewegs über den Hügel hinab zu der Straße, oder sie ging in den Meierhof oder längs der Hügel dahin, oder sie ging ein Stück auf dem Wege nach dem Jnghofe. Wenn sie zurückgekehrt war, saß sie in ihrem Lehnstuhle und blickte auf das, was vor ihr oder in ihrer Umgebung geschah.
    Eines Tages, da ich selber einen weiten Weg gemacht hatte und gegen Abend in das Rosenhaus zurück kehrte, sah ich, da ich von dem Erlenbache hinauf eine kürzere Richtung eingeschlagen hatte, auf bloßem Rasen zwischen den Feldern gegangen, auf der Höhe angekommen war und nun gegen die Felderrast zuging, auf dem Bänklein, das unter der Esche derselben steht, eine Gestalt sitzen. Ich kümmerte mich nicht viel um sie, und ging meines Weges, welcher gerade auf den Baum zuführte, weiter. Ich konnte, wie nahe ich auch kam, die Gestalt nicht erkennen; denn sie hatte nicht nur den Rücken gegen mich gekehrt, sondern war auch durch den größten Teil des Baumstammes gedeckt. Ihr Angesicht blickte nach Süden. Sie regte sich nicht und wendete sich nicht. So kam ich fast dicht gegen sie heran. Sie mußte nun meinen Tritt im Grase oder mein Anstreifen an das Getreide gehört haben; denn sie erhob sich plötzlich, wendete sich um, damit sie mich sähe, und ich stand vor Natalien. Kaum zwei Schritte waren wir von einander entfernt. Das Bänklein stand zwischen uns. Der Baumstamm war jetzt etwas seitwärts. Wir erschraken beide. Ich hatte nämlich nicht – auch nicht im entferntesten daran gedacht, daß Natalie auf dem Bänklein sitzen könne, und sie mußte erschrocken sein, weil sie plötzlich Schritte hinter sich gehört hatte, wo doch kein Weg ging, und weil sie, da sie sich umwendete, einen Mann vor sich stehen gesehen hatte. Ichmußte annehmen, daß sie nicht gleich erkannt habe, daß ich es sei.
    Ein Weilchen standen wir stumm einander gegenüber, dann sagte ich: »Seid Ihr es, Fräulein, ich hatte nicht gedacht, daß ich Euch unter dem Eschenbaume sitzend finden würde.«
    »Ich war ermüdet«, antwortete sie, »und setzte mich auf die Bank, um zu ruhen. Auch dürfte es wohl an der Zeit später geworden sein, als man gewohnt ist, mich nach Hause kommen zu sehen.«
    »Wenn Ihr ermüdet seid,« sagte ich, »so will ich nicht Ursache sein, daß Ihr steht, ich bitte, setzet Euch, ich will, so schnell ich kann, durch die Felder und den Garten eilen und Euch Gustav herauf senden, daß er Euch nach Hause begleitet.«
    »Das wird nicht nötig sein,« erwiderte sie, »es ist ja noch nicht Abend, und selbst wenn es Abend wäre, so droht wohl nirgends ringsherum eine Gefahr. Ich bin schon viel weiter allein gegangen, ich bin allein nach Hause zurückgekehrt, meine Mutter und unser Gastfreund haben deshalb keine Besorgnisse gehabt. Heute bin ich bis auf dem Raitbühel bei dem roten Kreuze gewesen, und bin von dort zu der Bank hieher zurück gegangen.«
    »Das ist ja fast über eine Stunde Weges«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht, wie lange ich gegangen bin,« antwortete sie, »ich ging zwischen den Feldern

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