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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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hellgraues Seidenkleid an, wie sie es überhaupt gerne trug. Das Kleid reichte, wie es bei ihr immer der Fall war, bis zum Halse und bis zu den Knöcheln der Hand. Von Schmuck hatte sie gar nichts an sich, nicht das geringste, während ihr Körper doch so stimmend zu Edelsteinen gewesen wäre. Ohrgehänge, welche damals alle Frauen und Mädchen trugen, hatte weder Mathilde je, seit ich sie kannte, getragen, noch trug sie Natalie.
    In unserem Schweigen sahen wir gleichsam wie durch Verabredung gegen das rieselnde Wasser.
    Endlich sagte sie: »Wir haben von dem Angenehmen dieses Ortes gesprochen, und sind von dem edlen Steine des Marmors auf die Edelsteine gekommen; aber eines Dinges wäre noch Erwähnung zu tun, das diesen Ort ganz besonders auszeichnet.«
    »Welches Dinges?«
    »Des Wassers. Nicht bloß, daß dieses Wasser vor vieler, die ich kenne, gut zur Erquickung gegen den Durst ist, so hat sein Spielen und sein Fließen gerade an dieser Stelle und durch diese Vorrichtungen etwas Besänftigendes und etwas Beachtungswertes.«
    »Ich fühle wie Ihr,« antwortete ich, »und wie oft habe ich dem schönen Glänzen und dem schattenden Dunkel dieses lebendigen flüchtigen Körpers an dieser Stelle zugesehen, eines Körpers, der wie die Luft wohl viel bewunderungswürdiger wäre, als es die Menschen zu erkennen scheinen.«
    »Ich halte auch das Wasser und die Luft für bewunderungswürdig,« entgegnete sie, »die Menschen achten nur so wenig auf beides, weil sie überall von ihnen umgeben sind. Das Wasser erscheint mir als das bewegte Leben des Erdkörpers, wie die Luft sein ungeheurer Odem ist.«
    »Wie richtig sprecht Ihr,« sagte ich, »und es sind auch Menschen gewesen, die das Wasser sehr geachtet haben; wie hoch haben die Griechen ihr Meer gehalten, und wie riesenhafte Werke haben die Römer aufgeführt, um sich das Labsal eines guten Wassers zuzuleiten. Sie haben freilich nur auf den Körper Rücksicht genommen, und haben nicht, wie die Griechen die Schönheit ihres Meeres betrachteten, die Schönheit des Wassers vor Augen gehabt; sondern sie haben sich nur dieses Kleinod der Gesundheit in bester Art verschaffen wollen. Und ist wohl etwas außer der Luft, das mit größerem Adel in unser Wesen eingeht als das Wasser? Soll nicht nur das Reinste und Edelste sich mit uns vereinigen? Sollte dies nicht gerade in den gesundheitverderbenden Städten sein, wo sie aber nur Vertiefungen machen, und das Wasser trinken, das aus ihnen kömmt? Ich bin in den Bergen gewesen, in Tälern, in Ebenen, in der großen Stadt, und habe in der Hitze, im Durste, in der Bewegung den kostbaren Kristall des Wassers und seine Unterschiede kennen gelernt. Wie erquickt der Quell in den Bergen und selbst in den Hügeln, vorzüglich wenn er am reinsten aus dem reinen Granit fließt, und, Natalie, wie schön ist außerdem der Quell!«
    Hatte nun Natalie schon früher einen Durst empfunden, und hatte derselbe ihr Gespräch auf das Wasser gelenkt, oder war durch das Gespräch ein leichter Durst in ihr hervorgerufen worden: sie stand nun auf, nahm die Alabasterschale in die Hand, ließ sie sich in dem sanften Strahle füllen, setzte sie an ihre schönen Lippen, trank einen Teil des Wassers, ließ das übrige in das tiefere Becken fließen, stellte die leere Schale an ihren Platz, und setzte sich wieder zu mir auf die Bank.
    Mir war das Herz ein wenig gedrückt, und ich sagte: »Wenn wir beide das Schöne dieses Ortes betrachtet, und wenn wir von ihm und von andern Dingen, auf die er uns führte, gerne gesprochen haben, so ist doch etwas in ihm, was mir Schmerz erregt.«
    »Was kann Euch denn an diesem Orte Schmerz erregen?« fragte sie.
    »Natalie,« antwortete ich, »es ist jetzt ein Jahr, daß Ihr mich an dieser Halle absichtlich gemieden habt. Ihr saßet auf derselben Bank, auf welcher Ihr jetzt sitzet, ich stand im Garten, Ihr tratet heraus und ginget von mir mit beeiligten Schritten in das Gebüsch.«
    Sie wendete ihr Angesicht gegen mich, sah mich mit den dunkeln Augen an und sagte: »Dessen erinnert Ihr Euch, und das macht Euch Schmerz?«
    »Es macht mir jetzt im Rückblicke Schmerz, und hat ihn mir damals gemacht«, antwortete ich.
    »Ihr habt mich ja aber auch gemieden«, sagte sie.
    »Ich hielt mich ferne, um nicht den Schein zu haben, als dränge ich mich zu Euch«, entgegnete ich.
    »War ich Euch denn von einer Bedeutung?« fragte sie.
    »Natalie,« antwortete ich, »ich habe eine Schwester, die ich im höchsten Maße liebe, ich habe

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