Werke
liegen.«
»So habe ich nicht unrecht empfunden«, sagte sie. »Nein,« erwiderte ich, »Ihr habt recht geahnt.«
»Wenn die Edelsteine nicht nach dem geachtet werden, was sie kosten,« sagte sie, »sondern nach dem, wie sie edel sind, so gehört der Marmor gewiß unter die Edelsteine.« »Er gehört unter dieselben, er gehört gewißlich unter dieselben«, erwiderte ich. »Wenn er auch als bloßer Stoff nicht so hoch im Preise steht wie die gesuchten Steine, die nur in kleinen Stücken vorkommen, so ist er doch so auserlesen und so wunderbar, daß er nicht bloß in der weißen, sondern auch in jeder andern Farbe begehrt wird, daß man die verschiedensten Dinge aus ihm macht, und daß das Höchste, was menschliche bildende Kunst darzustellen vermag, in der Reinheit des weißen Marmors ausgeführt wird.«
»Das ist es, was mich auch immer sehr ergriff, wenn ich hier saß und betrachtete,« sagte sie, »daß in dem harten Steine das Weiche und Runde der Gestaltung ausgedrückt ist, und daß man zu der Darstellung des Schönsten in der Welt den Stoff nimmt, der keine Makel hat. Dies sehe ich sogar immer an der Gestalt auf der Treppe unsers Freundes, welche noch schöner und ehrfurchterweckender als dieses Bildwerk hier ist, wenn gleich ihr Stoff in der Länge der vielen Jahre, die er gedauert hat, verunreinigt worden war.«
»Es ist gewiß nicht ohne Bedeutung,« entgegnete ich, »daß die Menschen in den edelsten und selbst hie und da ältesten Völkern zu diesem Stoffe griffen, wenn sie hohes Göttliches oder Menschliches bilden wollten, während sie Ausschmückungen in Laubwerk, Simsen, Säulen, Tiergestalten und selbst untergeordnete Menschen- und Götterbilder aus farbigem Marmor, aus Sandstein, aus Holz, Ton, Gold oder Silber verfertigten. Es wäre zugänglicherer, behandelbarerer Stoff gewesen: Holz, Erde, weicher Stein, manche Metalle: sie aber gruben weißen Marmor aus der Erde und bildeten aus ihm. Aber auch die andern Edelsteine, aus denen man verschiedene Dinge macht, geschnittene Steine, allerlei Gestalten, Blumen- und Zierwerk, so wie endlich diejenigen, die man besonders Edelsteine nennt und zum Schmucke der menschlichen Gestalt und hoher Dinge anwendet, haben in ihrem Stoffe etwas, das anzieht und den menschlichen Geist zu sich leitet, es ist nicht bloß die Seltenheit oder das Schimmern, das sie wertvoll macht.«
»Habt Ihr auch die Edelsteine kennen zu lernen gesucht?« fragte sie.
»Ein Freund hat mir vieles von ihnen gezeigt und erklärt«, antwortete ich.
»Sie sind freilich für die Menschen sehr merkwürdig«, sagte sie.
»Es ist etwas Tiefes und Ergreifendes in ihnen,« antwortete ich, »gleichsam ein Geist in ihrem Wesen, der zu uns spricht, wie zum Beispiele in der Ruhe des Smaragdes, dessen Schimmerpunkten kein Grün der Natur gleicht, es müßte nur auf Vogelgefiedern wie das des Kolibri oder auf den Flügeldecken von Käfern sein – wie in der Fülle des Rubins, der mit dem rosensamtnen Lichtblicke gleichsam als der vornehmste unter den gefärbten Steinen zu uns aufsieht – wie in dem Rätsel des Opals der unergründlich ist – und wie in der Kraft des Diamantes, der wegen seines großen Lichtbrechungsvermögens in einer Schnelligkeit wie der Blitz den Wechsel des Feuers und der Farben gibt, den kaum die Schneesterne noch der Sprühregen des Wasserfalles haben. Alles, was den edlen Steinen nachgemacht wird, ist der Körper ohne diesen Geist, es ist der inhaltleere, spröde, harte Glanz statt der reichen Tiefe und Milde.«
»Ihr habt von der Perle nicht gesprochen.«
»Sie ist kein Edelstein, gesellt sich aber im Gebrauche gerne zu ihm. In ihrem äußern Ansehen ist sie wohl das Bescheidenste; aber nichts schmückt mit dem so sanft umflorten Seidenglanze die menschliche Schönheit schöner als die Perle. Selbst an dem Kleide eines Mannes, wo sie etwas hält, wie die Schleife des Halstuches oder wie die Falte des Brustlinnens, dünkt sie mich das Würdigste und Ernsteste.«
»Und liebt Ihr die Edelsteine als Schmuck?« fragte sie.
»Wenn die schönsten Steine ihrer Art ausgewählt werden,« antwortete ich, »wenn sie in einer Fassung sind, welche richtigen Kunstgesetzen entspricht, und wenn diese Fassung an der Stelle, wo sie ist, einen Zweck erfüllt, also notwendig erscheint: dann ist wohl kein Schmuck des menschlichen Körpers feierlicher als der der Edelsteine.«
Wir schwiegen nach diesen Worten, und ich konnte Natalien jetzt erst ein wenig betrachten. Sie hatte ein mattes,
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