Werke
jedes Mal, so oft ich in dem Sternenhofe gewesen war, inne gehabt hatte. Ein Diener hatte mich von dem Vorzimmer Mathildens in dieselbe geführt. Sie hatte beinahe genau dasselbe Ansehen wie früher, wenn ich ein Bewohner dieses Hauses gewesen war. Sogar die Bücher, welche der Hausverwalter jedes Mal zu meiner Beschäftigung herbeigeschafft hatte, waren nicht vergessen worden. Nachdem ich mich eine Weile allein befunden hatte, trat dieser Hausverwalter herein und fragte mich, ob alles in der Wohnung in gehöriger Ordnung sei, oder ob ich einen Wunsch habe. Als ich ihm die Versicherung gegeben hatte, daß alles über meine Bedürfnisse trefflich sei, und nachdem ich ihm für seine Mühe und Sorgfalt gedankt hatte, entfernte er sich wieder.
Ich überließ mich eine Zeit der Ruhe, dann ging ich in den Räumen herum, sah bald bei dem einen, bald bei dem andern Fenster auf die bekannten Gegenstände, auf die nahen Felder und auf die entfernten Gebirge hinaus, und kleidete mich dann zu dem Abendessen anders an.
Zu diesem Abendessen wurde ich bald, da ich spät am Tage in dem Schlosse angekommen war, gerufen.
Ich begab mich in den Speisesaal und fand dort bereits Mathilden und Natalien. Mathilde hatte sich anders angekleidet, als ich sie bei meiner Ankunft in ihrem Zimmer getroffen hatte. Von Natalien wußte ich dies nicht; aber da sie ein ähnliches Kleid anhatte wie Mathilde, so vermutete ich es, und mußte überzeugt sein, daß man ihr meine Ankunft gemeldet habe. Wir begrüßten uns sehr einfach und setzten uns zu dem Tische.
Mir war es äußerst seltsam und befremdend, daß ich mit Mathilden und Natalien allein in ihrem Hause bei dem Abendtische sitze.
Die Gespräche bewegten sich um gewöhnliche Dinge.
Nach dem Speisen entfernte ich mich bald, um die Frauen nicht zu belästigen, und zog mich in meine Wohnung zurück.
Dort beschäftigte ich mich eine Zeit mit Papieren und Büchern, die ich aus meinem Koffer hervorgesucht hatte, geriet dann in Sinnen und Denken, und begab mich endlich zur Ruhe.
Der folgende Tag wurde zu einem einsamen Morgenspaziergange benützt, dann frühstückten wir mit einander, dann gingen wir in den Garten, dann beschäftigte ich mich bei den Bildern in den Zimmern. Der Nachmittag wurde zu einem Gange in Teile des Meierhofes und auf die Felder verwendet, und der Abend war wie der vorhergegangene.
Mit Natalien war ich, da sie jetzt mit ihrer Mutter allein in dem Schlosse wohnte, beinahe fremder, als ich es sonst unter vielen Leuten gewesen war.
Wir hatten an diesem Tage nicht viel mit einander gesprochen, und nur die allergewöhnlichsten Dinge.
Der zweite Tag verging wie der erste. Ich hatte die Bilder wieder angesehen, ich war in den Zimmern mit den altertümlichen Geräten gewesen, und hatte den Gängen, Gemächern und Abbildungen des oberen Stockwerkes einen Besuch gemacht.
Am dritten Tage meines Aufenthaltes in dem Sternenhofe nachmittags, da ich eine Weile in die Zeilen des alten Homer geblickt hatte, wollte ich meine Wohnung, in der ich mich befand, verlassen und in den Garten gehen. Ich legte die Worte Homers auf den Tisch, begab mich in das Vorzimmer, schloß die Tür meiner Wohnung hinter mir ab und ging über die kleinere Treppe im hinteren Teile des Hauses in den Garten. Es war ein sehr schöner Tag, keine einzige Wolke stand an dem Himmel, die Sonne schien warm auf die Blumen, daher es stille von Arbeiten und selbst vom Gesange der Vögel war. Nur das einfache Scharren und leise Hämmern der Arbeiter hörte ich, welche mit der Hinwegschaffung der Tünche des Hauses in der Nähe meines Ausganges auf Gerüsten beschäftigt waren. Ich ging neben Gebüschen und verspäteten Blumen einem Schatten zu, welcher sich mir auf einem Sandwege bot, der mit ziemlich hohen Hecken gesäumt war. Der Sandweg führte mich zu den Linden, und von diesen ging ich durch eine Überlaubung der Eppichwand zu. Ich ging an ihr entlang und trat in die Grotte des Brunnens. Ich war von der linken Seite der Wand gekommen, von welcher man beim Herannahen den schöneren Anblick der Quellnymphe hat, dafür aber das Bänkchen nicht gewahr wird, welches in der Grotte der Nymphe gegenüber angebracht ist. Als ich eingetreten war, sah ich Natalien auf dem Bänklein sitzen. Sie war sehr erschrocken, und stand auf. Ich war auch erschrocken; dennoch sah ich in ihr Angesicht. In demselben war ein Schwanken zwischen Rot und Blaß, und ihre Augen waren auf mich gerichtet.
Ich sagte: »Mein Fräulein, Ihr werdet mir
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