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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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selber, daß du sie bald, sehr bald sehest.«
    »Bis dahin aber mußt du mir sehr viel von ihr erzählen, und wenn es möglich ist, mußt du mir ein Bild von ihr bringen«, sagte sie.
    »Ich werde dir erzählen,« antwortete ich, »jetzt, da wir einmal von der Sache gesprochen haben, werde ich dir sehr gerne erzählen, ich werde mit dir leichter von dem Bunde reden als mit ihr selber. Ob ich dir ein Bild werde bringen oder schicken können, weiß ich nicht; wenn es möglich ist, werde ich es tun. Aber es wird nur in dem Falle sein können, wenn ein Bild von ihr da ist, und man es mir oder eine Abbildung davon überläßt. Behalte es dann, bis du mit ihr selber zusammen kömmst und wir in freundlicher Verbindung mit einander leben. Endlich aber, Klotilde...«
    »Endlich?«
    »Endlich wird doch auch die Zeit kommen, in welcher du von uns ausscheiden wirst, zwar nicht mit deinem Geiste, wohl aber mit einem Teile deiner Beziehungen, wenn nämlich auch du eine tiefere Verbindung eingehst.«
    »Nie, nie werde ich das tun,« rief sie beinahe heftig, »nein, ich könnte ihm zürnen, ihm, der mein Herz hier wegführen würde. Ich liebe nur den Vater, die Mutter und dich. Ich liebe dieses stille Haus und alle, die berechtigt in demselben aus und ein gehen, ich liebe das, was es enthält, und die Dinge, die sich in ihm allmählich gestalten, ich werde Natalien und ihre Angehörigen lieben, aber nie einen Fremden, der mich von euch ziehen wollte.«
    »Er wird dich aber von uns ziehen, Klotilde,« sagte ich, »und du wirst doch da bleiben, er wird berechtigt sein, hier aus und ein zu gehen, er wird ein Ding sein, das sich in dem Hause allmählich gestaltet, und du wirst vielleicht nicht von Vater und Mutter gehen dürfen, gewiß aber wird kein Zwang sein, daß du sie oder mich weniger lieben müssest.«
    »Nein, nein, rede mir nicht von diesen Dingen,« erwiderte sie, »es peinigt mich und zerstört mir das Herz, das ich dir mit großer Teilnahme in der Morgenstunde habe bringen wollen.«
    »Nun, so reden wir nicht mehr davon, Klotilde,« sagte ich, »sei nur beruhigt, und bleibe bei mir.«
    »Ich bleibe ja bei dir,« antwortete sie, »und sprich freundlich zu mir.«
    Sie hatte die letzte Spur der Tränen von ihrem Angesichte vertilgt, sie setzte sich auf dem Sitze neben mir noch mehr zurecht, und ich mußte mit ihr sprechen. Sie fragte mich von neuem um Natalien, wie sie aussehe, was sie tue, wie sie sich zu ihrer Mutter, ihrem Bruder und zu meinem Gastfreunde verhalte. Ich mußte ihr erzählen, wann ich sie zum ersten Male gesehen habe, wann ich in dem Sternenhofe gewesen sei, wann sie den Asperhof besucht habe, wann ein Ahnungsgefühl in mein Herz gekommen, wie es dort gewachsen sei, wie ich mit mir gekämpft habe, was dann gekommen sei, und wie es sich gefügt habe, daß wir endlich die Worte zu einander gefunden haben.
    Ich erzählte ihr gerne, ich erzählte ihr immer leichter, und je mehr sich die Worte von dem Herzen löseten, desto süßer wurde mein Gefühl. Ich hatte nicht geglaubt, daß ich von diesem meinen innersten Wesen zu irgend jemanden sprechen könnte; aber Klotildens Seele war der einzige liebe Schrein, in welchem ich das Teure niederlegen konnte.
    Wir blieben sehr lange sitzen, immer fragte mich Klotilde wieder um Neues und wieder um Altes. Da kam die Mutter in meine Stube. Da sie uns in vertraulichem Gespräche sitzen fand, setzte sie sich auch zu dem Tische, der vor mir und Klotilden stand, und sagte nach einer kurzen Weile, daß sie gekommen sei, uns zum Frühmahle zu holen. Sie hätte Klotilden nirgends gesehen, und hätte gemeint, daß sie an diesem Morgen bei mir sein müsse.
    »Meine geliebten Kinder,« fuhr sie fort, »bewahrt euch eure Liebe, entfremdet euch nie eure Herzen, und bleibt euch in allen Lagen zugewandt, wie ihr euch jetzt und wie ihr den Eltern zugewandt seid; dann werdet ihr einen Schatz haben, der einer der schönsten im Leben ist, und der so oft verkannt wird. Ihr werdet in eurer Vereinigung sittlich stark sein, ihr werdet die Freude eures Vaters bilden, und mir werdet ihr das Glück meines Alters sein.«
    Wir antworteten nichts auf diese Rede, weil uns ihr Inhalt so natürlich war, und folgten der Mutter aus dem Zimmer.
    Der Vater harrte schon unser in dem Speisegemache, und da jetzt die Ursache meiner unvermuteten Nachhausekunft allen bekannt war, und keines sich dagegen erklärte, so sprachen wir nun unverhohlen gemeinschaftlich von der Angelegenheit. Die Eltern hegten die besten

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