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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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geworden, da er eintrat. Manche erhoben sich, um ihn zu sehen, und rückwärts standen mehrere aufrecht, um besser nach vorwärts schauen zu können.
    Als das Geräusch sich minderte, erhob sich ein Priester, der neben dem Bischofe gesessen war, trat in den freien Raum vor dem Tische, und rief: »Ich bin der Abt von Kladrau!«
    Hierauf schwieg er, und da sich nirgends ein Widerspruch erhob, und da fast eine gänzliche Stille eingetreten war, hob er an: »Liebe Mächtige und Wohlgesinnte! Wir haben heute in diesem Hause eine Versammlung, die so groß und ehrfurchterweckend ist, wie selten eine in diesem Lande stattgefunden hat. Viele treue Männer haben, als das Unglück zu drohen schien, welches nun nahe ist, ihre Worte ausgetauscht, was vorzubereiten ist, daß der Jammer nicht erscheine, der schon öfter bei einem Wechsel auf dem Herzogstuhle in diese Länder gekommen ist: als aber die Nachricht unter die Menschen ging, daß es nicht mehr anders sein werde, als daß unser erlauchter Herzog Sobeslaw zum ewigen Leben in der Gesellschaft seiner Brüder, seiner Eltern und Vorfahren werde einberufen werden, so kam eine große Zahl edler Herren dieser Reiche herein, sie offenbarten ihren Stand und ihren Besitz, und verlangten zu den Versammlungen gelassen zu werden. Der Rat zu ernster Erwägung der Dinge und zur Findung des letzten Ausganges ist nun heute in diesem Saale versammelt. Aber ehe er seinen Gegenstand pflegen konnte, ist ein Fall gekommen, dessen Schlichtung vorher not tut. Ein junger Reiter ist erschienen, den unser mächtiger Herzog Sobeslaw gesendet hat, daß er ergründe, was die edlen Herren des Reiches beschließen, und es melde. Er will daher an die Versammlung die Bitte tun, daß sie ihn ihre Beratungen und Beschlüsse anhören lasse, damit er die Wahrheit berichten könne. Sein erstes Anliegen aber ist, daß ihm der Rat gestatte, seine Bitte vor ihm selber darzulegen. Weil durch Umfrage bei einsichtsvollen Männern, und dann in diesem Rate beschlossen worden ist, daß man ihn höre, und weil ich die Umfrage verursacht, und die Frage vor dieses Haus der Versammlung gebracht habe, so melde ich jetzt, daß der junge Bote vor euch steht, damit das geschehe, was bestimmt ist, und damit die, welche vor seiner Anhörung noch zu reden gemeldet sind, reden.«
    Als der Abt von Kladrau diese Worte gesprochen hatte, ging er wieder zu seinem Sitze, und ließ sich darauf nieder.
    Da dieses vorüber war, stand der Mann mit dem schwarzen Kleide und dem weißen Barte, welcher neben Smil saß, auf, trat in den freien Raum, und rief: »Ich bin Ben der Kriegsanführer und der zweite Führer dieses Hauses.«
    Als man zum Anhören bereit war, sagte er: »Wer zum Sprechen nach der Einführung des Abgesendeten berufen ist, der spreche. Der erste weiß seinen Platz, und jeder folgende kennt seinen Vormann.«
    Hierauf nahm er seinen Sitz wieder ein.
    Da erhob sich in der Mitte der Versammlung ein Mann, der schwarz gekleidet war, auf seiner schwarzen Bärenhaube eine gerade Rabenfeder trug, und schwarze Haare und einen schwarzen Bart hatte. Er rief auf seinem Platze stehend: »Ich bin Bogdan!«
    Nach einer Weile Wartens fuhr er fort: »Der ehrwürdige Abt von Kladrau hat uns gesagt, daß der Bote, welcher vor uns steht, gekommen ist, die Beschlüsse der Versammlung des Reiches zu ergründen, und sie dem Herzoge Sobeslaw zu melden. Der Kundschafter im Kriege sucht die Stellungen und Absichten des Heeres zu erforschen, um sie dem Feinde zu hinterbringen. Der Kundschafter im Frieden sucht Meinungen und Beschlüsse zu erfahren, um sie irgend wohin zu melden, daraus Krieg und größeres Unheil als im Kriege entstehen kann. Darum sage ich: Werft den jungen Mann in den Turm, setzt ein Gericht über ihn zusammen, daß es einen Spruch fälle, und verfahrt nach dem Spruche.«
    Als er diese Worte gesagt hatte, setzte er sich wieder nieder.
    Nach ihm erhob sich einer in einem roten Gewande, welcher in den hinteren Bänken saß, auf der schwarzen Haube eine rote Feder trug, und an dem Kinne einen starken grauen Bart hatte. Er rief: »Ich bin Domaslaw!«
    Dann sagte er: »Der Bote vor uns will unsere Beschlüsse, wie wir vernommen haben, an den Herzog Sobeslaw melden. Wir sind in der lautern Absicht hier, zu beraten, was nach dem Tode unseres erhabenen Herzogs, welcher nahe bevorzustehen scheint, geschehen soll, damit unser Vaterland von den Übeln verschont bleiben möge, welche nach einem solchen Falle eintreten können. Unsere Beschlüsse

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