Werke
konnte sich nicht helfen, er mußte sein Antlitz gegen die Schulter des Vaters drücken und das grobe Tuch des Rockes mit seinen heißesten Tränen netzen. Der Vater war gleich wieder still, und sich gleichsam schämend und beruhigend sagte er die Worte: »Du bist verständiger als wir, Felix. Wenn du bei uns bleibst, arbeite, was du willst; ich verlange nicht, daß du mir hilfst – da ist ja Benedikt und seine Knechte, wenn es not täte; auch habe ich schon ein Erspartes, daß ich mir im Alter einen Knecht nehmen kann. – Du aber wirst schon etwas arbeiten, wie es Gott gefällig und wie es recht ist.«
Felix aber dachte in seinem Herzen, er werde doch in Zukunft, wenn es nötig sei, lieber in der Tat selbst und durch Leistung des eben Mangelnden beistehen, damit ihm das Herz nicht so weh täte, wenn er dem Vater gar nichts Gutes bringen könnte. Ach, das Beste hat er ja schon gebracht, und wußte es nicht, das gute, das überquellende Herz, das jedem, selbst dem gehärtetsten Vater ein freudigeres Kleinod ist, als alle Güter der Erde, weil es nicht Lohn nach außen ist, sondern Lohn in der tiefsten, innersten Seele.
Der Vater tat nun gleichgültig und machte sich mit diesem und jenem im Zimmer zu tun; kaum aber war Felix hinaus, so lief er eiligst zur Mutter und erzählte ihr, was der Sohn hatte tun wollen – sie aber faltete die Hände, lief vor die Heiligenbilder der Stube, und tat ein Gebet, das halb ein Frevel stürmenden Stolzes, halb ein Dank der tiefsten Demut war.
Dann aber ging sie hin und breitete es aus.
Das war nun klar, daß er gut war, daß er sanft, treu und weich war, und das sahen sie auch, daß er schön und herrlich war; – des weitern forschten sie nicht, was es sei, und was es sein werde.
Er aber ging her, und ließ sich weit draußen von dem Dorfe entlegen, auf der Haide ein Stück Landes zumessen, und begann mit vielen Arbeitern ein steinernes Haus zu errichten. – Daß es größer werde, als er allein brauche, fiel allen auf; aber als es im Herbste fertig war, als es eingerichtet und geschmückt war, bezog er es gleichwohl allein, und so verging der Winter. Es kam der blütenreiche Frühling – und Felix saß in seinem Hause auf der Haide, und herrschte, wie einst, über alle ihre Geschöpfe, und über all die hohen, stillen Gestalten, die sie jetzt bevölkerten.
Was war es denn aber, was den Eltern und Nachbarn an ihm zurückgebracht worden ist?
Sie wußten es nicht.
Ich aber weiß es. Ein Geschenk ist ihm geworden, das den Menschen hoch stellt, und ihn doch verkannt macht unter seinen Brüdern – das einzige Geschenk auf dieser Erde, das kein Mensch von sich weisen kann. Auf der Haide hatte es begonnen, auf die Haide mußte er es zurücktragen. Bei wem eine Göttin eingekehrt ist, lächelnden Antlitzes, schöner als alles Irdische, der kann nicht anders tun, als ihr in Demut dienen.
Damals war er fortgegangen, er wußte nicht, was er werden würde – eine Fülle von Wissen hatte er in sich gesogen: es war der nächste Durst gewesen, aber er war nicht gestillt; er ging unter Menschen, er suchte sie völkerweise – er hatte Freunde – er strebte fort, er hoffte, wünschte und arbeitete für ein unbekanntes Ziel – selbst nach Gütern der Welt und nach Besitz trachtete er; aber durch alles Erlangte, – durch Wissen, Arbeiten, Menschen, Eigentum – war es immer, als schimmere weit zurückliegend etwas, wie eine glänzende Ruhe, wie eine sanfte Einsamkeit – – – hatte sein Herz die Haide, die unschuldsvolle, liebe Kindheitshaide mitgenommen? oder war es selber eine solche liebe, stille, glänzende Haide? – – Er suchte die Wüsten und die Einöden des Orients, nicht brütend, nicht trauernd, sondern einsam, ruhig, heiter, dichtend. – Und so trug ihn dieses sanfte, stille Meer zurück in die Einsamkeit und auf die Haide seiner Kindheit – und wenn er nun so saß auf der Rednerbühne, wie einst, wenn die Sonnenfläche der Haide vor ihm zitterte und sich füllte mit einem Gewimmel von Gestalten, wie einst, und manche daraus ihn anschauten mit den stillen Augen der Geschichte, andere mit den seligen der Liebe, andere den weiten Mantel großer Taten über die Haide schleifend – und wenn sie erzählten von der Seele und ihrem Glücke, von dem Sterben und was nachher sei, und von anderem, was die Worte nicht sagen können – und wenn es ihm tief im Innersten so fromm wurde, daß er oft meinte, als sehe er weit in der Öde draußen Gott selbst stehen, eine ruhige,
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