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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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kam, und wie er auch mit diesem Wald zusammenhängt: Gefahr solcher Art droht uns nicht – – ja, ja, den Sonnenschein hat er wollen auf den Hut stecken und die Abendröte umarmen – – ja, es ist seine Art so zu erscheinen, wie er hier tat, das Lied hat mich herausgefordert – gut, aber jetzt ist es kein Kind mehr, hilflos gegeben in die Allgewalt der eignen Empfindung: eine Jungfrau, stark und selbstbewußt – sie wird kommen, statt der Lilie das Schwert des Herrn in ihrer Rechten – ja sie wird kommen!!«
    Ihr Antlitz strahlte – eine solche Schönheit überging ihre Züge, daß selbst Johanna scheu zu ihr hinüberblickte mit Inbrunst schwärmte ihr dunkles Auge hinaus, angeglänzt von dem Lichte der Nacht – – auf die Stirne flog es wie ungeheurer Stolz und Triumph – – so saß sie und badete das gehobne Antlitz in den Strahlen des Mondes – – – bis sie endlich in einen Strom siedend heißer Tränen ausbrach und sich wie ein Kind an das Herz der Schwester legte.
    Wer sie in dieser Nacht gesehen hätte, der hätte begriffen, wie denn diese sanfte, ewig ruhige Gestalt zu den tief schwarzen, lodernden Augen gekommen.
    Johanna schlang ihre beiden Arme um sie, und obgleich sie die Gewalt dieser Tränen nicht begriff, so wurde sie doch selbst bis zu dem heftigsten Schluchzen gerührt – und die Last der Herzen löste sich durch diese milden Perlen.
    Der Morgen fand sie, Johannen an dem Busen der Schwester mit den müde geweinten Augen tief und fest entschlummert. Clarissa wachte schon längst, aber da der Schwester Haupt ihr zum Teil auf Busen und Schulter lag, so regte sie sich nicht, um ihr nicht den Morgenschlaf zu stören, der mit so sichtbar süßer Hülle auf dem geängsteten Herzen lag. Endlich, da sich die braunen Augen langsam auftaten und befremdet auf Clarissen sahen, wie sie denn in ihr Bett geraten, so strich diese sanft mit der Hand über die Scheitel der goldblonden Locken und sagte: »Guten Morgen, liebes, liebes Kind.«
    Aber mit einer Art Beschämung über die Lage, in der sie sich fand, sprang Johanna auf und begann sich anzukleiden, indem ihr nach und nach das Bewußtsein der vergangenen Nacht kam, und der Wichtigkeit des heutigen Tages.
    Auch Clarissa kleidete sich schweigend an, und ließ dann durch die Magd den alten Gregor rufen. Er kam.
    »Ihr habt heute nacht singen gehört«, redete sie ihn an.
    »Ja.«
    »Ihr kennt den Mann sehr gut, welcher gesungen?«
    »Ich kenne ihn sehr gut.«
    »Er wünscht dringend mit uns zu reden.«
    Der Jäger sah sie mit betroffenen Augen an. »Ich weiß es«, sagte er; »aber daß auch ihr es wisset?!«
    »Wir wissen es, und wollen ihn auch sprechen, und zwar, wenn es möglich ist, noch heute; aber nicht hier – in unser Haus soll kein fremder Mann kommen – – sondern an der Steinwand bei den letzten Ahornen soll er uns erwarten. Johanna und ich werden kommen, und Ihr seid gewiß so freundlich, uns zu begleiten. Wenn der Schatten der Tannen von dem See gewichen ist, möget Ihr uns abholen, wenn es bis dahin geschehen kann.«
    »Es kann geschehen – aber bedenket, daß ihr selbst es seid, die es so wollen.«
    »Bereitet es nur, Gregor – ich kenne auch den Mann, und wir wollen ihn fragen, warum er unsere Ruhe und Zuflucht stört.« Gregor ging. Der Vormittag war vorüber, der Schatten der Tannen war von dem See gewichen, und man sah Gregor mit der Büchse auf der Schulter die zwei Mädchen dem Ahornwäldchen zuführen. Johanna war, wie gewöhnlich, in ihrem weißen Kleide, aber Clarissa hatte all ihren Schmuck und ihre schönsten Kleider angetan, so daß sie wie eine hohe Frau war, die zu einem Königsfeste geführt wird. Es liegt etwas Fremdes und Abwehrendes in Schmuck und Feierkleid der Frauen, sie sind gleichsam der Hofstaat ihrer Seele, und selbst der alte Waldsohn, der nie andere Juwelen sah als die des Morgens in den Tannen, fühlte sich von Clarissens Schönheit gedrückt und fast untertänig; denn auch in ihrem Angesichte lag ein fremder Schimmer und ein strahlender Ernst.
    Johannas Herz klopfte ungebändigt, und – obwohl sie sichs zu sagen schämte – die kleine Kugel und der Jägerbursche, der von dem furchtbaren Wildschützen erzählt hatte, wollten ihr nicht aus dem Sinne kommen, und es war ihr dunkel drohend, als ob etwas Entsetzliches kommen würde.
    So war man bis gegen die letzten Ahornen gelangt. Ein Mann, in einfache, ungebleichte Linnen gekleidet, einen breiten Hut auf dem Haupte, eine Flinte in dem Arme, saß auf

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