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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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wochenlang, bis – es war eine lichte, schöne Stunde – bis der Gedanke dieses Sees wie ein Blitz in meine Seele fuhr, wie ihn mir einst Gregor zeigte und die Worte sagte Auf diesem Anger, an diesem Wasser ist der Herzschlag des Waldes; mir ist, als müßte ich ihn hören, so lieblich und treu, und fester als die Burg eines Königs, – ich kam hieher – am Rande jener Felsenmauer herüber kletternd, erblickte ich das hölzerne Haus, auf einem Felsensteige – Gregor weiß ihn – Euch wäre er tödlich – stieg ich nieder. – Dort, wo die Sandriesen beginnen, im Schatten des Felsens ruhte ich ermüdet aus, wischte mir das Blut von den Händen – und wie ich nach diesem Geschäfte aufblickte – kaum hundert Ellen von mir am Rande des Gerölles saßet Ihr mit Johannen, beide in weißen Gewändern, und vertraulich redend – ich erschrak, daß sich der See und die Bäume drehten das schreiende Herz drücke ich nieder, ja in meiner Torheit halte ich den Atem an, daß er Euch nicht erreiche, obwohl ich nicht einmal Eure Worte hören konnte aber hold und saß müssen sie gewesen sein; denn Ihr saßet und sprachet lange, legtet endlich Eure Hände in einander und sahet schweigend in die Luft hinaus, mir wollte es bedünken im Übermaß der Rührung und der Liebe und des Vertrauens – als es Abend wurde, ginget Ihr – diese Bäume hier verschlangen den letzten Schimmer Eures Gewandes – ich blieb sitzen und stillte meinen Hunger mit einer Handvoll Brombeeren. Wieder sah ich Euch – gehen durch den Wald, wandeln an dem See, ruhen auf diesem oder jenem Steine – ich war Euch oft so nahe, daß ich Euch greifen konnte; Eure Harfe hörte ich des Nachts. – – Seht Ihr, dort oben, wo der dürre Sandstrom um die zwei Felsenhäupter quillt, steht ein Baum, es ist nur mehr der Strunk einer Föhre, die der Blitz einst zerschlug, bei Tage ist er ein mißfärbiges Grau, aber in der Nacht beginnt er zu leuchten, blau und grün und weiß – stundenlang saß ich an dem Felsenund sah auf das stille nächtliche Glimmen desselben – – Clarissa! und Ihr fragt, weshalb ich gekommen??«
    »O übt ihn nicht,« sagte sie mit innig flehender Stimme, »o übt ihn nicht, den alten Zauber, dessen Gewalt Ihr kennt und einst erprobtet gegen ein törichtes Mädchen o übt ihn nicht, es ist nicht redlich.«
    Es war seltsam anzuschauen, wie die entschloßne Jungfrau zu schwanken begann und fast eingeschüchtert war einem Manne gegenüber, dessen Mienen doch so offen lagen wie die eines Kindes; aber wenn man ihn ansah, wie er auf ihre Rede schwieg und hinaussah in die Räume, so war es, als sähe man den Geist aufleben, dem sie sich beugte: eine milde Hoheit, eine schwärmerische Dichtung lag in diesen Zügen, im Auge etwas, was fleht und herrschet – ein Schmelz von Zärtlichkeit, unsäglich bindend das geliebte Herz, es selbst unsäglich liebend, und doch hinaus verlangend ins Unbekannte, ein aufquellend Herz, nach Taten schmachtend. Und gerade das letzte, jeden Augenblick Liebeverlust drohend, war es, was sie so zauberisch band.
    »Ja, ja,« begann er wieder sanft, »Clarissa, süßer Engel, es ist redlich; ich bin nicht töricht und ohne Zweck gekommen; denn wisset, seit jenem Tage, wo ich fort ging, teils gedrängt, teils selbst hinausschwärmend, war es doch nur
ein
Gedanke, dem ich nachhing, dem ich glühend nachstrebte – damals lebte er noch, der befehlen konnte: laß fahren das Scheinding; – – ich schlug es los, in alle Winde wollte ich es streuen; ich ging Monate lang durch diese Wälder, dem wilden Hange folgend da fand ich Gregor. – Wie ein Sohn liebte ich den Alten, obwohl er ein Kind war gegen mich in Schwärmerei und Wagnis – das Scheinding aber trug ich im verschwiegenen Herzen – dann sah ich jene schimmernde Stadt, ich sah grenzenlose Wildnisse des neuen Landes – ich kam wieder, als er tot war, aber ich brachte das Scheinding, wie er es nannte, wieder mit – – Clarissa, nun aber ist alles gut – ein Jahr hab ich gearbeitet, ein mühselig Jahr, berghohe Hemmnisse hinweggewälzt – alles ist eben ich bin frei. – – Wie keine Mutter ihr Kind, hab ich dich gesucht, die Geliebte, die Verlassene, die Unvergeßliche, um dir alles, alles mitzuteilen – – o Clarissa, ich bitte dich, denke zurück, blicke in dein Herz, und um der Güte Gottes willen frage nicht mehr, warum ich gekommen!!«
    Ehe sie es ahnen und hindern konnte, stand er auf, und auf die harten Steine zu ihren Füßen sinkend, nahm er ihre

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