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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Hand, schloß sie in seine, die großen blauen Augen angstvoll auf ihr sterbebleiches Antlitz heftend.
    »O steht auf,« sagte sie in der Ohnmacht ihrer Seele mit den Augen herumirrend – »so steht doch auf – – ich kam gewaffnet hieher, die Gewalt Eures Herzens soll mir diese Waffen nicht ablösen – nein, sie soll es gewiß nicht. – Denket nicht mehr, ich sei noch das Kind, das Ihr einst kanntet – – wie Ihr damals in unser Schloß kamet, wie der Vater Euch lieb gewann; – – Ihr waret so schön, mein Auge konnte fast nicht ablassen von dem Euren, ein ganzes Meer von Seele und Gemüt gosset Ihr in mein dunkel bewußtes Herz, meine hülflose Kinderseele zwanget Ihr an Eure Lippen zu fliegen – ich fragte nicht, woher Ihr kamet, wer Ihr seid – ich hing an Euch – im Wahnsinne von Seligkeit hing ich an Euch, sündhaft vergessend meinen Vater, meine Mutter, meinen Gott – da ginget Ihr fort – – – nun, es ist alles überstanden ich erkannte die Sünde; – Gott gab mir die Gnade, sie zu bereuen und zu vergessen. Die Seele wandte sich wieder ihrer reinen Liebe zu. Seht, dies unschuldige Mädchen hier, meine Schwester, dann mein Vater und der Bruder Felix zu Hause – diese sind meine Geliebten und der Herr im Himmel, der ist mein Gott – – es ist überstanden.«
    Tränen brachen aus ihren Augen und schimmerten neben den Diamanten des Stirnbandes.
    »Nein, Clarissa, es ist nicht überstanden,« sagte er, zu ihr emporblickend, indem ein Entzücken durch den Himmel seines Auges ging, »nein, es ist nicht überstanden; – goß ich auch ein Meer von Gemüt und Seele in dein Kinderherz, so goß ich es auch in meines. – Es ist wahr, anfangs reizte mich bloß die ungewohnte Fülle und Macht, aufsprossend in dem Kinderherzen, daß ich prüfend und probend an sie trat, daß ich die Kinderlippen an mich riß – aber eine Seele, tief, wild, groß und dichterisch wie meine, wuchs aus dem Kinde an mich, daß ich erschrak, aber nun auch mich im Sturme an sie warf, namenlos, untrennbar Glut um Glut tauschend, Seligkeit um Seligkeit. – – Weib! Du warst damals ein Kind, aber die Kinderlippen entzückten mich mehr, als später jede Freude der Welt, sie glühten sich in mein Wesen unauslöschlich – ein Königreich warf ich weg um diese Kinderlippen; nicht Jahre, nicht Entfernung konnten sie vertilgen – und nun bin ich hier, abgeschlossen mit der Welt, um nichts auf der ganzen Erde mehr bittend, als wieder um diese Kinderlippen.«
    Er blieb knieen, das geliebte Antlitz schaute zu ihr empor, vergessend seiner selbst und der Umgebung, sie aber fühlte sich verlieren; um ihre Stirne irrte es wie dunkle Wonne, wie Morgenröte des Gefühls. – Einen Augenblick noch sah sie hülflos umher, ringend mit dem eignen Herzen, das in so ganz anderer Absicht hergekommen war – dann überzog neuerdings ein feuchter Schleier ihr Auge, aber es war darinnen süße, düstre Zärtlichkeit, wie es auf ihn niedersank und sie fast unhörbar und zitternd die Worte sagte: »Und doch, Ronald, bist du fortgegangen!!«
    »Ja,« rief er, indem eine schnelle, schwärmerische, fabelhafte Freude über seine Züge flog, »ja, ich ging fort, weil es einer befahl, der mächtiger war als ich und du, und als dein Vater und dein König – aber nicht weil er es befahl, ging ich, sondern weil er bat, weil er sagte, es sei zu deinem und zu meinem Heile – – und, Clarissa, weil mein eigen tobend Herz mich hinausriß, töricht schweifend in das Leere, als seien draußen namenlose, ungeheure Dinge zu vollführen – – aber, bin ich gegangen, so bin ich ja auch wieder da, und ich gehe nie, nie mehr von dir; – du bist mein Atem und mein Pulsschlag. – Draußen ist es dürre wie Sand, und unersprießlich alle Welt gegen dein schlagendes Herz, gegen deine Güte und gegen deine Liebe; – – siehe, er hat mich groß machen wollen, wie einen seiner Helden, oder gar wie sich selbst, er hat mich abgöttisch geliebt als das Ebenbild meiner Mutter. In unser schönes, fernes Land, sagte er, werden wir zurückkehren, dort wolle er es heben zu einem der ersten der Welt, ich werde ihm zunächst stehen, und an mir wolle er es gut machen, was er an meiner armen Mutter verschuldet – er, der Starke gegen alle Welt, war schwach gegen mich, er ließ meine Jugendschwärmen, in die ganze Welt wollte ich fliegen, weit und breit; selbst in Feindeslande ging ich herum, auf eurem Schlosse lebte ich Monate lang. – – Als ich ihn glühend um dich bat, sagte

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