Werke
Augen so geschickt von der Gasse weg, und so rasch der Steinwand entlang, daß dem Vater Erasmus das Herz im Leibe lachte, wie er seinen Fuchs so taktsicher dahin tanzen sah, und daß er ordentlich eine Hochachtung für seinen Gast zu fassen begann. Zunächst folgte er selber mit Annen und der Mutter, dann der Schmied und dann die andern.
Als man den langen, schmalen, romantischen Gebirgsweg neben der Pernitz zurückgelegt hatte und eben um den letzten Hügelkamm der Fichtau herumbog, wo dem Reisenden plötzlich ein breites Tal und der schlanke spitze Turm von Priglitz entgegensteigt, fahr ein rascher Wagen an sie heran, in welchem der Stadtschreiber mit seiner jungen Gattin saß, um die Kirchfahrer zu bewillkommen.
»Sei gegrüßt, Heinrich,« hatte er gesagt, »du teuerster aller Vagabunden, sei gegrüßt!«
»Gott grüße dich, Robert,« antwortete der andere, »das ist ein köstliches Tal, diese Fichtau!«
»Habe ich es dir nicht gesagt,« entgegnete Robert, »habe ich es dir nicht gesagt, als du immer nicht kommen wolltest?«
Sie hatten sich aus den Wagen hinüber die Hände gereicht. Indessen war aber Thrine von ihrem Sitze hinabgesprungen und Anna auch von dem ihrigen, und sie herzten sich auf offener Straße, als wollten sie sich tot drücken. Thrine war in der Tat eine ›schneeweiße‹ Thrine; denn ihr Kleid trug ganz und gar untadelig diese Farbe, und das Frauenhäubchen um das junge schöne Angesicht war dem schneeigsten glänzendsten Mittagswölkchen des Hochsommers vergleichbar. Sie drückte Annen von sich, sah sie an, und konnte sich nicht satt an ihr sehen, daß sie denn in so kurzer Zeit gar so schön geworden sei freilich konnte sie nicht ahnen, aus welch süßem, knospendem Boden diese Schönheit so schnell aufgesproßt war. Anna langte den mächtigen Blumenknäuel, den sie im ersten Schreck weggeworfen hatte, aus dem Wagen und drang ihn Thrinen auf. »Du mußt ihn zu Hause auflösen«, sagte sie; »denn die armen Stengel sind von den Fäden fast wund gedrückt, was ihnen sehr schadet; dann mußt du alles geordnet in deine Blumenbecher stellen.«
»Gott zum Gruße, Herr Schwiegervater«, hatte Robert dem Schmiede zugerufen; »nach dem Gottesdienste fahren wir alle zusammen in die lustige Fichtau.«
»Schön Dank, Herr Sohn, schön Dank«, entgegnete der Schmied, und indessen hatte sich wieder alles zur Weiterfahrt eingerichtet. Anna saß wieder bei Vater und Mutter, Thrine bei dem Gatten, und Heinrich fuhr bereits mit Boten-Simon so rasch den talführenden Weg gegen Priglitz ab, daß dessen Hutfedern flatterten und der Gemsbart sauste.
Man kam vor Roberts Hause an, wo immer die Wagen des Schmiedes und Wirtes warten mußten; man ordnete sich die Kleider, wechselte einige Worte und ging dann in die Kirche.
Nach dem Gottesdienste war, wie gewöhnlich, bei Robert ein Glas Wein. Thrine und Anna liefen durch alle Zimmer und verweilten hauptsächlich in der hintern Stube bei Thrinens kleinem Kinde. »Wie es gar so lieb und schön und unvernünftig ist«, sagte Anna, indem sie die kleinen unbewußten Züge des Kindes streichelte. Der Schmied saß indessen vorne in der Prunkstube im Ehrenstuhle, Annas Mutter bekam süßes Gebäcke, Erasmus machte beim Priglitzer Wirte droben ein Geschäft ab, und die Freunde Heinrich und Robert beredeten sich angelegentlich einige Minuten in einer Fenstervertiefung, als ob sie einen Plan ins Reine brächten. Dann traten sie zu den andern. Vater Erasmus kam auch. Thrine hatte sich angekleidet, von dem Kinde Abschied genommen und nun fahr alles der grünen Fichtau zu.
Wir aber müssen hier von derselben scheiden, so gerne unsre Feder noch bei dem klaren, freien, heiteren Fichtauer Leben verweilen möchte. Allein der Zweck der vorliegenden Blätter führt uns aus dieser harmlosen Gegenwart, die wir mit Vorliebe beschrieben haben, einer dunklen schwermütigen Vergangenheit entgegen, die uns hie und da von einer zerrissenen Sage oder einem stummen Mauerstücke erzählet wird, denen wir es wieder nur eben so dunkel und mangelhaft nacherzählen können. Zu Ende versprechen wir wieder in die Gegenwart einzulenken, und so ein dämmerndes, düsteres Bild in einen heitern freundlichen Rahmen gestellt zur Ansicht zu bringen.
Heinrich hatte nämlich von Robert das Versprechen erhalten, daß er sich bemühen wolle, ihm den Eintritt in den verfallenden Rothenstein zu verschaffen, und daß er ihm den Erfolg seiner Bemühungen in einem Briefe mitteilen werde, der zugleich Ort
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