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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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– aber du sagst ja schon wieder: Ihr.«
    »Nun, du – so lebe wohl, lieber, teurer Mann, und komme doch recht bald und sage das Wort zum Vater.«
    »Und die Tage, die ich bleibe – kommst du noch einmal zur Laube, Anna?«
    »Nein, Heinrich, es ist nicht recht; ich will Euch unter Tags in dieser Zeit recht freundlich anblicken, wenn auch der Vater scheel sieht, aber kommen kann ich nicht mehr, es ist doch nicht recht. – – Sagt nur bald das Wort, dann bin ich ja immer bei Euch, Tag und Nacht.«
    Noch einmal, auf die Spitzen ihrer Zehen gestellt, empfing sie seinen Kuß.
    »Lebe wohl,« sagte er, »du innig süßes Herz – gute Nacht.«
    »Gute Nacht«, sagte sie, und verschwand im Schatten des Laubes.
    Er war allein.
    Frischer, gleichsam dem Morgen zu, rauschten die Wasser der Pernitz, und die Blätter der Zweige begannen sich in einem kurzen Nachmitternachtlüftchen zu rühren. Der Wanderer ging aber tiefer in den Garten zurück, schwang sich über die Einfriedigung und schritt über den mondhellen Wiesenhügel dem Walde zu, als sei es ihm nicht möglich, in diesem Augenblicke seine Schlafstelle zu suchen. Die glänzende Nachtstille blieb von nun an ungestört, und nichts rührte sich, als unten die emsig rieselnden Wasser, und oben die Spitzen der flimmernden Sterne.

2. Das graue Schloß
    Es war ein Klingeln und Läuten und ein freudiges Brüllen und Meckern durcheinander, als am andern Tage die Morgensonne aufging, die Bergtäler rauchten und die Herde wieder zu den Triften hinanstieg. Aber der Hirt Gregor ging nicht mit, sondern er stand in steifem Sonntagsputze auf der Gasse und sonnte sich; nur der graue Hund in seinem ewigen Werktagswamse und der Hirtensohn auch in dem seinigen begleiteten die Herde – der eine freudig sein Halsband schüttelnd, der andere rüstig den Bündel Steigeisen und das Griesbeil schulternd, die einzigen zwei Wesen, welche heute arbeiten mußten; denn alles andere ging der Feier und Ruhe nach. Auch der alte Boten-Simon stand schon mit einem glänzenden Gesichte, von dem er den zollangen Wochenbart geschoren, und mit noch glänzenderer Jacke auf der Gasse da, und schaute herum, recht behaglich die Wonne des einzigen Ruhetages der Woche fühlend, an dem er sonst nirgends hin mußte als in die Kirche, was er sehr gerne und immer mit vieler Salbung tat. Die Pfeife dampfte bereits, und auf dem Hute hatte er ein ganzes Gebüsche von Gebirgsfedern stecken, nebst dem riesenhaften Fächer eines Gemsbartes. Die warme Sonntagssonne stand bereits am Himmel und warf eine freudenreiche Strahlenmenge in das Tal. An den Bergen blitzte der Tau, und die Pernitz rollte lauter Gold und Silber durch die Felsen. In allen Häusern rührte und rüstete es sich sonntäglich, und die Waldhöhen standen in einem wahren Lauffeuer von Singen und Schreien der Vögel.
    Oben im Stockwerke der grünen Fichtau öffnete sich ein Fenster, und das Antlitz des Wanderers blickte heraus, die Haare von der freundlichen Stirne zurückstreifend und die Augen nach Himmel und Wetter richtend. Beides ward genügend befunden, und er wollte eben wieder zurücktreten, als auch Vater Erasmus aus dem Hause schritt, zunächst an seinem Leibe schon die schimmernde Sonntagswäsche und die Sonntagskleider tragend, darüber aber noch die Werktagsjacke geworfen, und die Alltagskappe auf.
    »Guten Morgen, Simon,« rief er, »guten Morgen! Ein schöner Tag das – das sind Tage zur Flachsblüte.«
    »Blüht bereits, wie ein blaues Meer, im Asang draußen«, sagte Simon.
    »Ich habe ihm den handigen Fuchs in die Gabel zu spannen befohlen«, redete hierauf der Wirt durch die Türe des Gassengärtchens hinein; »denn er ist gelassener als der andere – aber ich sage dir, Anna, daß du dich nicht etwa verleiten lässest, wenn er dich einladet, mit ihm zu fahren; der Fabelhans würfe dich samt sich in einen Graben. Fahre mit mir, wer weiß, wie bald ohnehin einer kommt, der dich auf immer und ewig davonführt.«
    Anna, die im Gärtchen Rosen und anderes zum Sonntagsputze schnitt, wurde in diesem Augenblicke unter der Gartentür sichtbar, und die braunen Augen gegen den Vater hebend, sagte sie: »Ei, er wird mich nicht einladen, und der andere wird auch nicht kommen, lieber Vater.«
    Sie war in ihrem Morgenkleide wieder gar so schön. Wenn sie auch öffentlich immer im Landesschnitte ging, so trug sie doch zu Hause Kleider nach eigener phantastischer Erfindung, und Vater Erasmus, einst ein Kenner weiblicher Schönheit, und nicht der

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