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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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geworden. Sie wollten unbeachtet an Ruprecht vorübergehen, überzeugt, daß er ihnen, sich sänftigend, stille folgen würde. Aber wie er ihre Absicht erriet, ließ er plötzlich die Hände von seinem Gesichte fallen, und statt der vorigen Erregung sahen sie nun das äußerste Erstaunen darinnen, so, daß ihm sogar vor Schreck die Tränen stocken geblieben und wie gefrorne Tropfen in dem weißen Reife seines Bartes standen: »Aber wie seid Ihr denn?« rief er mit heftiger Stimme, »wozu habe ich Euch denn hergeführt? wozu seid Ihr denn zurückgekehrt? Ich habe den ganzen Tag die Geduld mit Euch gehabt, ich habe ja die höchste Geduld gehabt, als Ihr immer und immer die andern Dinge des Berges anschautet und nicht ginget, wohin ich Euch führen wollte, ich habe die Geduld gehabt, um Euch endlich auch zu zeigen, was ich getan habe – warum wollt Ihr denn nun fortgehen?!«
    »So zeige uns nur, alter Mann, was du getan hast,« sagte Heinrich freundlich, »zeige es nur, wir freuen uns ja darauf.«
    »Sehet,« rief der Greis besänftigter, »alle sind sie da, alle, die je lebten und atmeten auf dem roten Steine – sie sind versammelt in dem grünen Saale; nur
einer
war verworfen, – ich habe ihn immer sehr geliebt, und dachte, es soll nicht so sein – seht nun:
ich
war es, der es machte, daß Ihr schon im Saale standet, als er noch lebte, aber er wußte es nicht, er ging hinüber, und wußte es nicht. – – Wartet nur, ich will zuerst den blauen Vorhang herablassen, weil er nicht offen stehen bleiben darf«
    Diese letzten Worte hatte er beschwichtigend und vertraulich gesagt, und dann lief er gegen Chelions Bild:
    »Hüll dich ein,« sagte er murmelnd, »du schöne Sünde, hüll dich ein, du Apfel des Paradieses« – – und er zog wieder an der Schnur, und freiwillig, wie hinauf, rollte sich nun der Vorhang herunter, Stück um Stück den Schimmer des Bildes deckend, bis nichts mehr sichtbar war als die unschuldige Seide, straff gespannt und matt erglänzend. Dann zu heller, unheimlicher Freude über gehend, sprang der Greis zu der leeren Nische neben Christoph, drückte gegen eine Feder, und zum Erstaunen der Männer sprang der Serpentin los – und in das Krachen mischte sich das triumphierende Kichern und Lachen des Greises. Sie sahen nun, daß der Stein bloß auf eine Kupfertafel gemalt war, daß sich diese völlig umlege und noch ein Bild entblöße, das sie vorher ge deckt hatte. Es war ein Männerbild, und im Serpentine unten stand: ›Sixtus II‹
    Allein das Bild war das Heinrichs Zug für Zug, nur in fremden Kleidern.
    Der Alte rieb frohlockend und herausfordernd die Hände, als wollte er sagen: ›Nun?! nun?!‹
    Robert war zum äußersten betroffen. Er hatte bisher die zwei andern begleitet, wie einer, der bloß Merkwürdigkeiten anschaut, nun aber wußte er plötzlich nicht mehr, woran er sei – – zwar ein Gedanke, blitzschnell und abenteuerlich, schoß durch sein Gehirn, aber er war zu lächerlich, als daß er ihn nicht sogleich hätte verwerfen sollen – nur fragend blickte er gegen den Freund. Dieser aber, der ebenfalls die Sache zu fassen begann, war anfangs totenblaß, dann allmählich flammend rot geworden; – der stummen Frage des andern aber konnte er eben so wenig eine Antwort geben. Bloß der wahnwitzige Greis war der einzige, der völlig klar war; mit einer Freude und Geschäftigkeit, die man an ihm gar nicht zu ahnen vermocht hätte, ging er sofort an das Werk der Erklärung, und in dem listigen Lächeln seines Angesichtes schwamm die gänzliche Beruhigung, die er über seine Anstalten empfand.
    »Ich habe Euch bloß«, begann er, »nach dem kleinen, runden Bilde machen lassen, das im Deckel Eures feinen Reisekästchens war – wißt Ihr? – ich habe es nach jener Nacht herausgestohlen und aufbewahret. Ein alter, alter Mann hat Euch konterfeit, Ihr müsset ihn erst belohnen; denn er hat Euch sehr geliebt. Des ganzen lieben Tages Länge saß er oben im Julianusschlosse, über die sinkende Stiege hinauf, wo ich ihn versteckt hielt, und wohin ich ihm Essen und Trinken brachte. Dort malte er, und viele Tage und Wochen vergingen, ehe Ihr so herrlich wurdet, wie Ihr jetzt seid. Der arme Mann! weil er so alt war, mußte ich ihn immer beinahe die Treppe hinauftragen, daß sie unter uns knitterte und einzustürzen drohte. ›Gott lohne es Euch, Ruprecht‹, hatte er gesagt, ›Gott lohne es Euch, wenn Ihr alt werdet.‹ Er hat noch keinen Heller für das Bild, Ihr müßt ihm einen Lohn geben;

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