Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
geordnete, grünseidne Draperie hing an ihr nieder, um auf das Bild gemalt zu werden; aber die scharfen Seidenfalten derselben lagen voll dichten, alten Staubes, und der Glanz des Stoffes war erblindet. Der rote Samtsessel,auf dem
die
saßen, die abgebildet werden sollten, stand leer; aber daneben auf der Staffelei war auch das unvollendete Bild von
der
, die zuletzt auf dem Stuhle gesessen. Um das Bild war schon im voraus ein breiter Rahmen von künstlichem Serpentine gemalt, um die Wirkung auf den künftigen Platz berechnen zu können; aber es kam nie auf diesen künftigen Platz. – Das Haupt war zwar vollendet, die Figur und der Grund aber bloß umrissen und untermalt, und die Hände waren weiße, verwischte Flecken. Heinrich jagte mit seinem Tuche den größten Teil des Staubes von dem Bilde, und getrübt durch den noch gebliebenen, sah ein schönes, schlankes Weib, wie eine Narzisse, demütig und selig aus der Fülle der schönsten, blonden Locken heraus.
    »Geht vorüber, geht nur eilends vorüber,« sagte angstvoll dringend der Greis, »ich bitt Euch inständig, geht vorüber – es ist nur mein armes Kind – was soll ich denn hier stehen bleiben? – ich habe ja ohnedies schon um sie geweint. – – Sie sollte in den grünen Saal kommen, aber er wurde in dem Lande der Heiden erschlagen – der Maler ging fort – sie starb. – – Seht, der Konterfeier ist hinterlistig wieder erschienen und wollte das Bild und die Sachen fortnehmen, aber ich sagte zu ihm, daß ich ihn erstechen werde, wenn er es täte – da ging er, und kam nimmermehr wieder. Ich bitte Euch, laßt stehen und gehen – – alles ist nicht zu Ende; alles ist falsch, ihre Ehre und ihre Erhebung ist falsch, wie der Stein, den sie um ihr Bildnis gemalt haben. – – O, vieles, vieles ist fürchterlich geworden, seit Ihr fort waret: Graf Jodok hat seinen Sohn Christoph verflucht, und dieser ist nicht gekommen, bis der Vater tot war, und dann kam er, und war wie eine scheue Amsel auf dem Berge und gesellte sich zur schlanken Ammer, die immer erschrocken das Köpfchen warf. – – Aber sie beide waren so schön, wie gar nichts auf Erden, und lauter Friede und Heimlichkeit war auf dem Berge. – – Laßt sie ruhen – laßt sie ruhen! – Hier ist das Tor; Ihr könnt ja gleich in den indischen Garten des bösen Jodok kommen. Seht, der Garten ist so schön – geht nur hinaus, geht hinaus, ich bitt Euch.«
    Und hastig hatte er bei diesen Worten das Tor der ganzen Breite nach aufgerissen. Feines, liebes Grün sah einladend herein. Er zeigte hinaus; er war sichtlich erleichtert, als die Freunde das Gemach verlassen hatten. Dann mit Kraft und Schnelle jagte er die Flügel zu, drehte dreimal den Schlüssel im großen Schlosse um und schlug noch mit der Faust auf das eiserne Tor, recht freudig, daß es einmal zu sei. – Aber auch die Männer waren erleichtert, als der düstre, schwarze Bau gleichsam hinter ihrem Rücken zurückwich, und die helle, grüne Landschaft glänzend in der Nachmittagssonne vor ihnen lag und sich die Flut des lieben, vertrauten Sonnenlichtes wieder um sie ergoß. Es war ein reicher Garten, durch den sie gingen, voll der sanftesten Sträuche und Bäume nebst Resten verkommener ausländischer Gewächse.
    Mitten in dem Garten stand ein großer, weißer Würfel aus dem feinsten Marmor gehauen, mit der Inschrift: ›Jodokus und Chelion.‹ Sie gingen vorüber, dann gelangten sie in den griechischen Säulenbau des Jodok, das sogenannte Parthenon. Die Säulen standen hoch und prächtig in die Lüfte, und Gemächer und Korridore liefen; aber alle die Keuschheit des Marmors war häßlich von Rauch und Flamme geschwärzt und verödet – eine Schicht unreiner Ziegel lag zwischen den beschmutzten Säulen und schändete die edle Leiche des Gebäudes.
    Sie weilten auch hier nicht lange – und es war auch nichts zu sehen als die leere, hohle Hülse einstiger Wohnlichkeit, in der nun die Trauer brütete. – Sie gingen hinter dem Gebäude durch einen weitläufigen Obstgarten nach und nach um die Bergkuppe herum und stiegen dann durch den erstorbenen Fichtenhain zu dem Turme des Sterndeuters Prokopus hinan. Der Turm selber war leer, nur daß noch Trümmer von astronomischen Geräten, Mappen und Büchern herumlagen.
    Aber an der Außenseite desselben war gegen Süden eine riesenhafte Äolsharfe gespannt. Ihre Saiten gingen von dem gepflasterten Steinboden, der rings um den Turm lief, bis auf die Spitze desselben empor, und sie wogten

Weitere Kostenlose Bücher