Werke
schweren Samt emporhielt – auf den Gesichtern der Männer, über die, obwohl in tausend Gedanken und Leidenschaften zersplittert, doch dieselbe Familienähnlichkeit hinlief, alles glänzte und funkelte da, von der furchtbaren Körnigkeit jener Menschen in Stahl und Eisen angefangen bis zu der Pedanterie und Weichheit derer, die in Tressen und im schwarzen Fracke sind.
Robert, der auch den Saal noch nicht gesehen hatte, war eben so bezaubert wie Heinrich; – Ruprecht im Übermaße der Befriedigung und des Stolzes stand da und drückte sein Gefühl dadurch aus, daß er abenteuerlich und ungeschickt mit seinen Fingern in dem großen Bunde Schlüsseln, den er trug, suchte und arbeitete und nestelte. Er hatte sein Barett abgenommen, als wäre er in der Kirche.
Nachdem der erste Eindruck dieser Einfachheit und Größe [denn selbst die Bilder waren weitaus über Lebensgröße] in etwas vorüber war, ging man zur Betrachtung der Einzelheiten über. Da hing gleich zu Anfang der alte Hans, ein frommer Herr und Ritter, daneben sein Eheweib Adelgund, ein echt deutsches Gesicht, wie sie uns so gerne aus den Bildern Albrecht Dürers ansehen. – Von ihm aus folgte die Reihe eiserner Männer und sittiger Frauen: Bruno und Brigitta – Benno und Irmengard dann Abaldus, dann Hermenegild, die Nonne – Johannes, der Kreuzfahrer – – und andere und wieder andere eine ganze Reihe. Vorzügliche Gemälde waren alle, obwohl sie augenscheinlich viel später gemalt wurden, als die Urbilder lebten, aber wahrscheinlich nach vorhandenen, wenn auch schlechten Originalen, denn dafür sprach der in allen Gesichtern der Männer fortgehende Familienzug. Die Namen standen in großen Goldbuchstaben unter jedem Bilde auf dem dunklen Serpentine. Was Heinrich ganz besonders wohl tat, war, daß die Bilder ziemlich tief herabgingen und von oben beleuchtet wurden, wie es denn überhaupt hervorging, daß der Gründer dieser Anstalt nicht die Bilder des Saales wegen aufgestellt, sondern daß dieser in seiner ungeheuren Größe und einfachen Pracht nur zur Verherrlichung jener dienen sollte. So war auch im ganzen wüsten Zimmer nicht ein einziges Gerätstück; bloß an Fenstervorhängen waren die mannigfaltigsten, behutsamsten Vorrichtungen, um teils die verschiedensten Lichterspiele auf die Gemälde wirken lassen zu können, teils dieselben vor unmittelbarer Sonne zu schützen. Und wie sehr Ruprecht mit der Sache vertraut war und sie liebte, zeigte der Umstand, daß er oft durch unbedeutende, gelegentliche Züge an Schnüren oder Federn ganze entfernte Bilderreihen plötzlich in das zarteste Licht legte, da sie vorher in ungünstiger Dämmerung geschwebt hatten.
Von den Frauen war keine einzige unschön, manche voll herrlicher Anmut, und einige Jungfrauen blendend und untadelig. – Von den Männern war keiner unbedeutend, viele schön, einige voll Schwärmerei oder Gewalt des Geistes; alle mit einem sonderbaren Zuge von Überschwenglichkeit, wie mit einem Familienzeichen behaftet; – da war Johannes, der Erbauer der Sphinxe und des Obeliskus – dann Sixtus, der Gründer dieses Baues und wahrscheinlich auch des grünen Saales, dann Ubaldus, der strenge Krieger – und andere. – – Weit unten von denen saß ein alter Mann mit einem Blicke, als glühte Dichtkunst oder Wahnsinn drinnen: es war Prokopus, der Sterndeuter. – Jungfrauen in sanfter Schönheit prangten neben ihm, seine Töchter, und hart daran ein seltsames Paar, zwei Männer: der eine in reichem Goldkleide, widrigen Antlitzes mit furchtbarem, rotem Barte, der andere im armen grünen Jagdkleide, ein sanftes Bild der größten Jugendschönheit; es waren die Brüder Julianus und Julius, Söhne des Prokopus – – Heinrich erschrak; denn wenn es wahr ist, was ihm ein gesendeter Zufall erst kürzlich geoffenbaret, wenn er ein später Sprosse all dieser Männer ist, so war es dieser Jüngling Julius, durch den der Strom in sein fernes, abgelegenes Heimattal geleitet wurde, daß er selbst nun heute, nach mehr als anderthalb Jahrhunderten, ein verschlagner, unbeachteter, letzter Tropfen desselben, vor der reichen Quelle stehe, aus der er kam. – Wie seltsam die Schicksale der Menschen und der Geschlechter sind! Was mußte nicht geschehen, daß er heute hier stehe und auf die zarte Stirne und die großen, freundlich lodernden Augen eines Knaben schaue, der vielleicht sein Ur-Ur-Großvater ist, jener Mann, von dem er so viel reden gehört, der gekommen sei, man wußte nicht, woher, der
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