Werke
kauerte sie eben auf dem Boden und drückte eine Taube an ihr Herz. Ich tat mir noch einmal den Schwur, ihr die Qual dieser Nacht durch lebenslange Liebe vergessen zu machen, wenn ja das Schrecknis auszutilgen ist aus dem weißen, unbeschmutzten Blatte ihres Herzens. –
Aber es war nicht mehr auszutilgen.
Sie hatte mich einmal mit dem Mörderauge an dem Bette stehen gesehen, und dies war nicht mehr aus ihrer Seele zu nehmen. Einst war ich ihr die sichtbare Gottheit auf Erden gewesen, nun zitterte sie vor mir. – Wie kann es auch anders sein? Wer einmal den Arm erhob zum Totschlage eines seiner Mitgeschöpfe, wenn er ihn auch wieder zurückzog, dem kann man nicht mehr trauen; er steht jenseits des Gesetzes, dem wir Unverletzlichkeit zutrauen, und er kann das frevle Spiel jeden Augenblick wiederholen.
Ich habe jahrelang das Übermenschliche versucht, daß alles wieder sei wie früher, allein es war vergebens: das Einfältige ist am leichtesten zerstört, und bleibt aber am festesten zerstört. Sie war hinfüro bloß die Demut mehr, die Ergebung und Aufopferung bis zum Herzblute, aber nur das
eine
nicht mehr, was statt allem gewesen wäre, nicht die
Zuversicht
. Sie klagte nie; aber sie hing in meinen Armen wie die Taube in denen des Geiers, gefaßt auf alles – – die kalte Sonne des Nordens schien auf sie wie mein Auge, beides kein Leben mehr spendend. Nie mehr seit jener Nacht ist die Röte der Gesundheit wieder in ihr Angesicht gekommen – und so starb sie auch an einem Nachmittage; die brechenden Augen noch auf mich gerichtet, wie das arme Tier den Mörder anschaut, der ihm die Kugel in das furchtsame Herz gejagt hatte.
Ich wurde vor Schmerz wahnsinnig, wie sie als kalte Leiche lag, und wie sie begraben war. Ich wußte nicht, sollte ich Bertha morden, die Beschützerin, oder Ruprecht, ihren Mann, oder soll ich Sixtus suchen und ihm Faser für Faser aus dem Leibe reißen – – aber ich tat endlich alles nicht, weil ich die Macht gewann, nicht den Frevel durch einen neuen sühnen zu wollen. Er, da er ihren Tod vernommen, hatte sich mit einer Kugel das Gehirn zerschmettert – in das Haus der andern kam Wut und Unfriede; Ruprecht warf seinem Weibe den Tod des Sixtus vor; sie war düster gegen ihren Mann, und starb auch bald an innerem Siechtum. Ich aber schloß das Parthenon mit Schlössern zu, bis auf ein Gemach, in dem ich wohnte – die Diener dankte ich ab – die Pflanzen ließ ich verkommen – die Tiere nährte ich, bis sie eines nach dem andern starben, und dann begrub ich sie jedes einzeln. – Was von Chelion übrig war, jedes Stückchen Kleid, ihr Spielzeug, den Fußboden und den Teppich, auf dem sie wandelte, das Tischchen, an dem sie saß, das Bett, in welchem sie in jener Nacht gelegen – – alles hütete ich, daß es blieb, wie es an dem Tage ihres Todes war. Auf Erden hatte ich keinen Menschen mehr; – mein Sohn Christoph, das Ebenbild Chelions – hatte er nun erkannt oder geahnt, was ich seiner Mutter getan – war fort und nicht wieder gekommen – – und als ich alt geworden war, erbarmte es mich der Überreste in dem Parthenon; ich nahm viel Geld, das ich zusammengespart, hinterlegte es als Ersatz für meine Erben, und zündete das Parthenon an, daß alles und alles durch das Feuer verzehretwürde, was übrig wäre von ihr und mir. – Es war eine schöne, schmerzensvolle Lohe! – Ich hatte nie den Berg verlassen, habe keine Taten mehr verrichtet keine guten und keine bösen. Jetzt wohne ich in dem steinernen Häuschen, das ich am Fuße des Berges erbaut, nicht weil ich ein Einsiedler bin und in Schmerzen lebe nein, weil es lieblich ist, daß
ein
Mensch nicht mehr brauche, als was
einem
not tut. – In den Büschen neben mir sind die Vögel, die es auch so halten, und weiterhin die Strohdächer, die es so halten müssen, es aber töricht für ein Unglück wähnen – der Berg steht hinter mir mit seinen Denkmalen und widersinnigen Vorkehrungen, daß die Besitzer sich zerstören müssen – – in meinem Testamente, Artikel 13, steht geschrieben: ›Ein blauseiden Vorhang über Chelions Bild, der sich selber rolle; dann ein weiß einfach Würfel aus Marmel über unser gemeinschaftlich Grab im indischen Garten, mit nichts als den zwei Namen‹ – – befolget mir nur genau den Artikel, damit es ja so geschieht. Ich habe jetzt schon einen Stoß Papiere wie ein Tisch hoch gesammelt, und werde die Geschichte beginnen von den Verkehrtheiten des menschlichen Geschlechtes, und die von den
Weitere Kostenlose Bücher