0897 - Zwei wie die Hölle
Plötzlich kam er nicht mehr weiter. In seinem Kopf schien Nebel die Gedanken umhüllt zu haben.
Er hatte sich vorstellen wollen, wie diese Hundemörder starben, aber mit einemmal war die Blockade vorhanden, die er gedanklich und durch seine Vorstellungswelt allein nicht mehr aufbrechen konnte.
Er spürte den Schweiß. Aus den Poren drang er hervor. Kleine Tröpfchen, die sich auf seinem Gesicht verteilten, und er spürte auch den Druck hinter seiner Stirn.
Einen harten, einen bösen Druck, der sich auf eine bestimmte Stelle konzentrierte, und zwar dort, wo sich hinter der Stirn und normalerweise unsichtbar das dritte Auge des Jungen verbarg, das alte Erbe des Psychonauten.
Nicht jetzt! schrie es ihn ihm. Bitte, nur nicht jetzt. Ich kann es nicht gebrauchen. Es würde auffallen. Ich würde auffallen, und die Menschen in meiner Umgebung würden durchdrehen…
Er trug keinen Spiegel bei sich. Um sein Gesicht sehen zu können, mußte er schon den Kopf nach rechts drehen, dann konnte er sich im Fenster der U-Bahn betrachten.
Sein Gesicht bildete einen verschwommenen Umriß, wie ein Schatten, der sich im Rhythmus der Fahrt bewegte.
Die Augen sah Gordy nur schwach, darüber aber zeichnete sich die Stirn ab, und er suchte in der schmutzigen Scheibe nach dem dritten Auge, dessen Druck Gordy ja bereits gespürt hatte.
Das Auge war nicht zu sehen. Auch nicht als schwacher Umriß. Es war überhaupt nicht vorhanden.
Der Junge sah nur seine Stirn und den Ansatz der blonden Haare darüber.
Kein Auge, kein Zeichen…
Er atmete auf. Mit der rechten Hand fuhr er über sein Gesicht. Als er danach seine Handfläche betrachtete, glänzte sie. Das war nicht weiter tragisch, für ihn zählte nur, daß sich das verräterische Zeichen nicht zeigte.
Er drehte sich wieder um und preßte seinen Rücken gegen den Sitz. Es ging ihm etwas besser, aber längst noch nicht so gut, wie es ihm hätte gehen können.
Gordy war ins Grübeln geraten. Er hatte zum erstenmal etwas erlebt, mit dem er nicht zurechtkam.
Seit einiger Zeit war ihm bekannt, daß er das dritte Auge der Psychonauten trug, doch er begriff nicht, warum es sich zuerst hatte zeigen wollen und dann nicht mehr.
Der Junge dachte zurück. Jedes Detail der letzten drei, vier Minuten ließ er Revue passieren. Es störte ihn auch nicht, daß die Bahn zwischendurch hielt und die Fahrgäste wechselten, er wollte endlich eine Lösung haben.
Seine Gedanken waren schlecht gewesen. Haßerfüllt und böse. Und genau da hatte das Auge nicht mitgespielt. Da hatte es sich plötzlich zeigen wollen wie ein Kainsmal. Er hatte die Veränderung hinter der Stirn ja deutlich genug mitbekommen, doch was war mit dem anderen?
Ein wenig erleichtert holte er Luft. Auf einmal war ihm alles klargeworden.
Das Auge war nicht erschienen, weil er seine haßerfüllten Gedanken zurückgedrängt hatte. Er war wieder entspannter geworden, normaler, wie es sich eigentlich gehörte. Und das war ihm durch das Nichterscheinen des Auges bewiesen worden.
So also lief es ab.
Für ihn war das dritte Auge der Psychonauten ein Zeichen der Last und auch der Verantwortung. Er konnte es nicht immer einsetzen, wie und wann er wollte. Das Auge spielte da einfach nicht mit, und allmählich kam ihm zu Bewußtsein, daß dies womöglich seinen gesamten Elan gefährden konnte.
Ich bin etwas Besonderes! sagte er sich, ohne es allerdings überheblich zu meinen. Und ich habe auch eine Verantwortung, das steht fest. Ich muß sie richtig einsetzen. Es ist wichtig für mich, sonst drifte ich ab.
Es waren nicht die Gedanken eines Zwölfjährigen. Sie glichen mehr denen einer erwachsenen Person, und plötzlich vermißte der Junge seine Eltern wie nie zuvor. Hätte er gewußt, wer sie waren, Himmel, er hätte sich bei ihnen Rat holen können und stünde nicht allein den großen Problemen gegenüber.
Jetzt wußte er Bescheid. Und eines kristallisierte sich außerdem in ihm hervor.
Er war kein Mörder!
Er konnte keine Menschen umbringen, weil er von einer anderen Kraft gelenkt wurde.
Gordy war durcheinander. Als die Bahn wieder hielt und er mehr zufällig einen Blick durch das Fenster warf, wurde ihm bewußt, daß er aussteigen mußte. Surrey Quays hieß die Station. Den Rest der Strecke würde er laufen denn er wollte das Ziel erst bei Einbruch der Dämmerung erreichen. Da bekam er mehr Schutz, und auch die Mörder seines Hundes Eden würden ihn nicht so leicht entdecken.
Als er an das Tier dachte, stieg ein Kloß in seinem
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