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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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großen Saal, der verziert wurde. Den Berghang hinab gegen das große Tor zu scharrte die Schaufel, daß die Wege ausgebessert wurden, und klang die Axt, daß die dürren Stämme und Äste niederfielen. Alles sollte vorerst schön sein und sich sittig erweisen, wenn etwa in Bälde Augen kämen, es zu sehen; das Nützliche und Nachhaltende war schon vielfach besprochen und entworfen, mußte aber seiner Zeit harren, daß es sich allmählich und dauernd entwickle.
    Indessen wurde auch in einem andern, viel kleineren Hause unten an der Pernitz gearbeitet, daß ganze Schneeberge von Linnen da lagen und sich überall Kleider und Stoffe bauschten – das andere, der Schmuck, der da glänzen und funkeln sollte, lag schon als Kränzlein von leuchtenden Steinen oben in einem reinen, dämmernden Stübchen, dessen Fenster marmorrote Simse hatten und von schneeweißen Vorhängen verhüllt waren.
    Im Lande aber draußen dauerte noch das Geschrei fort über Heinrich und sein Glück. Man neidete es ihm, und gönnte es ihm. Man sagte, er eile jetzt und könne keine Zeit abwarten, sondern überwühle bereits den ganzen Berg, um seine Macht nur recht zu genießen. Man wählte ihm Heiraten aus den Familien des Landes, zankte darüber und stellte Vermutungen an, welche ihn nehmen, und welche ihn ausschlagen würde. Ja es wurde sogar gemunkelt, er werde, ganz nach Art seiner Väter, niemand mehr, und niemand minder, als eben nur eine Wirtstochter heiraten.
    Aber die Zeit ging fort und fort und klärte nichts auf. Heinrich, gerade der Meinung entgegen, die man von ihm hatte, war schamhaft in allem seinem Tun, und übereilte nichts, bis es war, wie er es wollte, und wie es seinem Herzen wohl tat – dann aber kam auch der Augenblick, der es allen offen darlegen sollte, wie es sei. In der Kirche zu Priglitz war es Sonntags verkündet worden, nach der Art, wie es alle Pfarrkinder halten, Hohe und Geringe: »Der ehr- und tugendsame Junggeselle: Heinrich, unser erlauchter Herr und Graf zu Rothenstein, und die ehr- und tugendsame Jungfrau Anna, eheleibliche Tochter Erasmus' und Margarethas, Besitzerin der Wirtschaft Nr. 21, zur grünen Fichtau....« Erasmus hatte an allen Gliedern gezittert und im Angesichte geglänzt, – und draußen vor der Kirche prahlte er unverhohlen von seinem Kinde und dessen Glücke, als sich die Männer um ihn scharten und ihn mit Fragen bestürmten. Er erlebte die Freude, die er einst im Übermute vorausgesagt, daß die ganze Fichtau die Hände zusammenschlug über dieses Ereignis. Er allein von den Seinen war in die Kirche hinausgefahren, um es recht in seine Ohren hinein zu genießen, wenn es gelesen würde. Den Boten-Simon, der mit verwirrten Sinnen da stand, lud er zu sich auf den Wagen und sagte beim Einsteigen: »Gelt? Gelt?«
    »Aber wir müssen es in Demut aufnehmen, Vater Erasmus, und ohne Hoffart genießen!« sagte der andere.
    »Ich nehme es ja in Demut auf«, entgegnete Erasmus, »aber daß ich voll Freude bin, ist ja meine väterliche Schuldigkeit, damit es Gott nicht verdrießt, der es so gemacht hat.«
    Von dem Tage der Verkündigung an bis zu dem der Hochzeit war ein groß Gerede, wie sie sich nun überheben werde, wie sie hochmütig fahren, und wie sie übermütig tun werde. Anna aber war nicht so: sie konnte vor Scham kein Auge aufschlagen. Die ganze Gasse der grünen Fichtau stand gedrängt voll Menschen, da die Stunde gekommen, wo er sie zum Wagen führte, um in die Kirche zu fahren. Ihre Wangen, da sie an den Leuten vorbeiging, waren so purpurrot, daß man meinte, sie müßten sie brennen; die Augenlider schatteten darüber, und sie getraute sich keines zu rühren, weil sonst Tränen fielen. Alle ihre Mitschwestern aus der ganzen Fichtau waren gekommen, um zu sehen, wie sie gekleidet und geschmückt sei. Aber nur ein einfach weißes Seidenkleid floß um ihre Gestalt, und in den Haaren war ein sehr kleines, grünes Kränzlein und eine weiße Rose aus ihrem Garten. Sie hatte die Steine doch wieder in der Kammer gelassen, weil es ihr als Sünde vorkam, sie an dem heutigen Tage zu tragen. So ging sie vorüber, und als er mit ihr bis zu dem Wagen gekommen war, sah man, daß von der Hand, bei der er sie führte, kaum zwei Finger die seine berührten, und daß diese Finger zitterten. Auch der Schleier, der zunächst ihrer linken Wange und dem Nacken hinabging, bebte an ihren schlagenden Pulsen, und man sah es, da sie vor dem Wagen ein wenig anhielt, um
    hineinzusteigen.
    »Das ist eine demütige Braut«,

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