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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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und herrlich: die Sonne war über die Waldwand hinunter und warf kühle Schatten auf die Pernitz – im Rücken der Häuser glühten die Felsen, und wie flüssiges Gold schwamm die Luft über all den grünen Waldhäuptern weg.
    Und immer feierlicher floß die Abenddämmerung, immer abendlicher rauschten die Wasser der Pernitz, und immer reizender klangen die Zithern.
    Nur daß heute auch noch die Bursche mit den kühnen Gebirgsaugen die sanftblickenden, aber gleichwohl feueraugigen Mädchen an manchen Stellen zu den Zithern im Tanze herumdrehten, und daß der Mond schon viel länger als damals auf die Häuser hereinschien, ehe es auf der Gasse der grünen Fichtau verstummte.
    Da aber endlich fast gegen Morgen die letzte Gruppe Abschied genommen hatte, und es stille war, folgte keine Szene im Garten, wie damals, sondern Heinrich schlief schon lange auf seiner einstigen Stube neben Robert, seinem Gaste, und Anna war mit Thrinen in ihrem einstigen Stübchen; aber sie schliefen nicht, sondern sie konnten sich nicht sättigen von Plaudern und Erzählen.
    Des andern Tages, da das Scheibenschießen begann, führte Heinrich sein junges Weib in Begleitung der vornehmsten Gäste mit Prunk auf seinen Berg, und geleitete sie dort in die für sie eingerichteten fürstlichen Gemächer des Christophhauses, so wie Jodok einst die unschuldige Chelion in das Parthenon geführt hat. Erasmus war stolz darauf, daß desselben Tages noch vor Anbruch des Morgens fünf beladene Wagen mit Annas Gütern und betrunkenen Fuhrleuten auf den Rothenstein vorausgefahren waren. Er konnte sagen, daß sein Kind die reichste Braut der Fichtau sei; denn selbst der Hasenmüller im Asang vermag seiner einzigen Tochter nicht fünf schwere Wagen zu beladen.
    Wir enthalten uns, die Empfangsfeierlichkeiten auf dem Rothensteine zu beschreiben, sondern beschließen unsere Erzählung mit diesem heitern Ausgange der trüben Geschichten des Rothensteins, und wünschen dem Paare, daß es so glücklich fortlebe, wie ihre Ehe glücklich begonnen.
    Ein Anfang dazu ist schon gemacht; denn die einigen Jahre, die seit dem, was wir eben erzählten, bis auf heute verflossen, sind ganz glücklich gewesen. Eine Reihe Glashäuser mit den Pflanzen aller Länder steht neben dem Parthenon, dann sind Säle mit den Herden ausgestopfter Tiere, und dann die mit allen Erzen und Steinen der Welt. Diese Leidenschaft ihres Herrn, meinen die Fichtauer, sei doch auch eine Narrheit, wie sie alle seine Ahnen hatten, aber daß er sonst auch rastlos schaffe und wirke, geben sie zu. In der hohen Frau, die mit zwei blühenden Knaben wandelt, würde niemand mehr die einstige Anna aus der grünen Fichtau erkennen; denn sie wird in Heinrichs Schule fast ein halbes Wunderwerk aber ein anderes vollendetes Wunder steht neben ihr, ein Mädchen, namenlos schön wie ein Engel, und rein und sanft blickend wie ein Engel; es ist Pia, die Tochter Narcissas und des unglücklichen Grafen Christophs, der eher gestorben, ehe er seine Sünde gut machen konnte. Heinrich hatte sie an Kindes Statt angenommen, nachdem er sie und den alten Ruprecht, die sich bei seiner Ankunft in dem Kastellanhäuschen verkrochen hatten, an sich gelockt und an sein Wesen und Tun gewöhnt hatte. Durch ein seltsames Naturspiel ist sie ihrer Großmutter Chelion ähnlich geworden, und zugleich ihrem Großvater Jodok, so daß man sie den Bildern nach für ein Kind dieser beiden halten mußte; aber sie ist minder dunkel als Chelion, und noch um vieles schöner als das Bild derselben, was aber vielleicht nur der Jugend zuzuschreiben ist. Das Bild des zweiten Sixtus steht nun im grünen Saale auch offen, daneben Heinrichs und Annas, und jeder, der den Rothenstein besucht, kann sich von der vollendeten Ähnlichkeit Heinrichs und Sixtus' überzeugen.
    Der alte Ruprecht lebt noch. Er sitzt ewig hinten an der Sandlehne in der Sonne, dreht lächelnd seinen Stab in den Fingern und erzählt Geschichten, die niemand versteht; er erzählt sie auch niemanden, und meint, er sei noch immer Kastellan, obgleich schon ein anderer ein neues Häuschen neben dem Tore der Ringmauer hat.
    Viel Besuch kommt auf den Berg, und viele Augen fallen schon auf Pia; aber sie scheut noch jeden Mann so, wie sie einst die zwei Freunde scheute, als sie dieselben zum ersten Male in den Juliantrümmern gesehen, wo sie auf dem Geländer des Balkons geritten war. Der häufigste und liebste Besuch aber ist der von Robert und Thrine. Heinrichs Mutter und Schwester leben auf dem

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