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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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ging und der Name des Geschiedenen nicht mehr in ihm war. Die Geräte und Denkmale sind auch immer verkommener und trüber geworden. Von diesen Denkmalen möchte ich sprechen, da Sie einst meine schauerliche innere Freude waren.
    Aber seltsam, wenn ich recht weit zurück gehe, so ist es eigentlich Trödel, der gar so tief wirkte, nicht Dinge, denen ich heute mein Augenmerk schenke. Da ist tief in dem Nebel der Kindheit zurück eine schwarze Weste, die so wundersam war; ich höre noch heute die Leute staunen und rufen, wie nun gar kein so unverwüstlicher Levantin mehr gemacht werde, und wie man das Alte aufbewahren und achten soll – dann trieb sich unter unsern Spielsachen eine dunkle, verwitterte Hutfeder herum, deren Rückgrat geknickt war – aus den Spänen und Splittern der Holzlaube blickte einmal eine geschundene Deichsel hervor – im Garten wucherte noch unausrottbar die Angelikawurzel; daneben stand ein grauer Stamm, dessen zwei einzige grüne Äste noch alljährlich schwarze Vogelkirschen trugen und im Herbste blutrote Blätter fallen ließen; – dann waren zwei himmelblaue Wagenräder, die ich als Knabe einmal sauber abzuwaschen strebte, weil sie von darauf geworfenen Pflügen und Eggen voll Kot geworden waren; – dann bestand, weil man sagt, daß der Doktor ein vornehmes Fräulein soll geheiratet haben, auf Diele und Scheune noch allerlei den jetzigen Bewohnern unbekannter Kram, der wohl nicht aller von ihm herrühren mochte; aber wenn unter die berechtigten Hausdinge etwas Wunderliches geriet, das niemand erklügeln konnte, sagte man immer: »Das ist vom Doktor«; denn obwohl wir ihn als unsern reichsten Vorahn sehr ehrten, so hielten wir doch insgeheim sämtlich dafür, daß er ein Narr gewesen sei.
    Es mochte damals noch viel mehr Altertümliches gegeben haben, wenn wir Kinder den Schauer vor so manchem unrichtigen Winkel hätten überwinden können der noch bestand, und wohin sich seit Ewigkeit her der Schutt geflüchtet hatte. Da war zum Beispiele ein hölzerner, dunkler Gang zwischen Schüttboden und Dach, in dem eine Menge urältester Sachen lag; aber schon einige Schritte tief in ihm stand auf einem großen Untersatze eine goldglänzende heilige Margaretha, die allemal einen so drohenden Schein gab, so oft wir hinein sahen; dann waren die unentdeckten allerhintersten Räume der Wagenlaube, wo sich verworrene Stangen sträubten, alternde Strohbünde bauschten, noch bekannte Federn längst getöteter Hühner staken, tellergroße schwarze Augen aus den Naben alter Räder glotzten, und daneben im Stroh manch tieferes Loch gor, so schwarz wie ein Doktorhut. Ja die Scheu steigerte sich, da einmal der Knecht gesagt hatte, daß man durch die Sachen hindurch in die Haberstelle der Scheune kriechen könne, was wohl bestaunt, aber nicht gewagt wurde.
    In der Finsternis der Truhe bewahrte auch lieb Mütterlein manche Kostbarkeiten auf, die keinen andern Zweck hatten, als daß sie immer liegen blieben, und die wir gelegentlich zu sehen bekamen, wenn sie einmal etwas Seltenes suchen ging und wir die Köpfe mit in die Truhe steckten. Da war eine Schnur angefaßter rasselnder, silberner Gupfknöpfe, ein Bündel Schnallen, langstielige Löffel, eine große silberne Schale, von der sie sagten, daß der Doktor das Blut der vornehmen Leute in dieselbe gelassen habe, – dann waren zwei hornerne Adlerschnäbel, einige Bündel von Goldborden, und anderes, was in der Dunkelheit so geheimnisvoll leuchtete, und worin wir nie kramen durften, weil die Mutter bei solchen Gelegenheiten stets nicht Zeit hatte, sondern zusperren und fort gehen mußte. Zuweilen aber, wenn die obere Stube, wo die Gastbetten standen und die Festkleider hingen, einmal gelüftet und abgestäubt wurde und die Mutter eben bei Laune war, zeigte sie wohl gerne etwa einer Nachbarin und auch uns Kindern, die immer dabei standen, manches von der Ahnentafel bürgerlicher Häuser, die ich so liebe, der Truhe der Brautkleider. Wie Reliquien pflegte man sonst derlei Kleider aufzubewahren und bei Gelegenheiten vorzuzeigen; aber diese Ehrfurcht nahm in den Zeiten ab, und endlich kam der schwarze Frack, in dem wir zur Trauung, zum Besuche, zum Spaziergange gehen – was soll daher an ihm sein, das der Aufbewahrung würdig wäre? Wenn Mütterlein nun die steifen, eckigen Dinge herauszog und in der Sonne spielen ließ, da standen wir dabei und staunten die verschossene Pracht an. Da kamen sammetne, seidene, goldstarrende Dinge zum Vorschein, die da rauschten

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