Werke
gehegt und gepflegt auf das zärtlichste, ja, das Bild besorgte ihre ganze höhere Erziehung. Unter andern unterrichtete das Bild meine Mutter auch in der neugriechischen Sprache, und meine Mutter mochte, da sie noch Kind, keine andere reden. Da aber aus sonderbaren nichtigen Gründen die Mutterschaft des Bildes ein Geheimnis bleiben sollte, geschah es, daß alle Leute das Neugriechische, das meine Mutter sprach, für Französisch, ja selbst das Bild, erschien es manchmal plötzlich beim Kaffee, für eine französische Gouvernante halten mußten. Als meine Mutter heiratete, zog sich das Bild zurück in den Rahmen und verließ ihn nicht wieder, bis meine Mutter sich befand in guter Hoffnung. Da entdeckte das teure hohe Bild meiner Mutter die fürstliche Abkunft, und daß der Sohn, von dem sie genesen würde, bestimmt sei, im schönen Griechenland Rechte geltend zu machen, die verloren geschienen. Eine anmutige Gunst des Schicksals oder, nach gemeinem Sprachgebrauch, der Zufall werde ihn dort hinleiten.
Dann ermahnte das Bild meine Mutter, bei meiner Geburt ja keins der heiligen Mittel, wie sie im Vaterlande gebräuchlich, zu verabsäumen, um mich für jeden Schaden zu bewahren. Daher wurde ich, sowie ich geboren, von Kopf bis zu den Füßen mit Salz überschüttet, daher lag auf beiden Seiten meiner Wiege ein Stück Brot und ein hölzerner Stößel, daher wurde in dem Zimmer, wo ich mich befand, eine gute Partie Knoblauch aufgehängt, daher trug ich ein kleines Säckchen um den Hals, worin drei Stückchen Kohle und drei Salzkörner befindlich. – Sie wissen, bester Oheim, aus dem Sonnini, daß diese vortrefflichen Gebräuche auf den Inseln im Archipelagus stattfinden. – O, es war ein hehrer heiliger Moment, als meine Mutter mir das alles entdeckte. – Zum erstenmal in ihrem Leben war sie über mich in lebhaften Zorn geraten. – Es hatte sich nämlich eine Wiesel in unser Zimmer eingefunden, die ich zu verfolgen im Begriff stand, als meine Mutter hinzukam und mich auf das heftigste ausschalt. Dann lockte sie das Tierchen, das sich unter den Schrank geflüchtet hatte, hervor und sprach zu ihm also: ›Beste Dame, sein Sie uns auf das schönste willkommen! – Niemand soll Ihnen Leid zufügen, Sie sind hier zu Hause, alles steht zu Ihren Diensten!‹ – Meiner Mutter Worte kamen mir so spaßhaft vor, daß ich überlaut lachte, das Tier entfloh, aber in demselben Augenblick gab mir die Mutter eine tüchtige Ohrfeige, daß mir der Kopf summte. Ich erhob ein Gebrüll, dessen ich mich noch schäme, doch die gute Mutter wurde davon tief gerührt, schloß mich unter tausend Tränen in ihre Arme und entdeckte mir, daß sie neugriechischer Abkunft sei, rücksichts der Wiesel also nicht anders handeln könne. Dann erfuhr ich die Geschichte vom Bilde. – Sie sind, bester Oheim, gewiß ebensosehr überzeugt als ich, daß das Auffinden der blauen Brieftasche eben der günstige anmutige Zufall ist, den das Bild, die teure Großmutter, geweissagt. Nicht wie ein unbesonnener phantastischer Jüngling, sondern als ein Mann von Mut und Konsequenz handle ich daher, wenn ich mich stracks in den Wagen setze und in einem Strich fortreise bis nach Patras zum Herrn Andreas Condoguri, der mich, als ein artiger Mann, gewiß weiter bescheiden wird. Da sehen Sie gewiß ein, bester Oheim, und trauen mir auch zu, daß ich das hohe, das höchste Glück meines Lebens zu erringen imstande sein werde.«
Der Oheim hatte den Neffen ruhig angehört, jetzt brach er los: »Gott tröste dich, Theodor, aber du bist ein großer Narr. – Deine Mutter, sanft ruhe ihre Asche! war ein wenig phantastisch, und dein Vater hat es mir oft geklagt, daß sie mit dir, als du geboren, allerlei Seltsames vornehmen lassen, das ist wahr. Aber was du da vorbringst von griechischen Prinzessinnen, lebendigen Bildern, eingesalzenen Kindern und Wieseln, das hast du, nimm mir’s nicht übel, ausgebrütet in deinem Gehirn, dem wahren orbis pictus aller Tollheiten und Narrereien! – Nun! – ich will dir und deinem konsequenten Beginnen gar nicht in den Weg treten, fahre ab nach Patras und grüße den Herrn Condoguri. Vielleicht ist dir die Reise recht gesund, vielleicht kommst du, schlagen dich nicht etwa die Türken tot, vernünftig wieder? Vergiß nicht, wenn du auf die Insel kommst, wo der gute Niesewurz wächst, davon tüchtigen und fleißigen Gebrauch zu machen. – Glückliche Reise!« –
Damit verließ der prosaische Oheim den exaltierten Neffen.
Als nun der Tag
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