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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Schatz, den ich ewig bewahren werde, o Blatt der Blätter!« –
    »Welches Blatt,« unterbrach der Professor den Baron, indem er ihm die fertigen Notizen hinreichte, »welches Blatt setzt Sie in solche Ekstase, bester Baron?«
    Der Baron erwiderte, daß es jenes verhängnisvolle Haude- und Spenersche Zeitungsblatt sei, in dem die Aufforderung an den Finder der blauen Brieftasche stehe, und reichte es dem Professor hin. Der Professor nahm es, warf einen Blick darauf – fuhr zurück, wie plötzlich erstaunend – sah schärfer hinein, als wenn er seinen Augen nicht trauen wollte – rief dann mit starker Stimme: »Baron! – Baron! – bester Baron! – Sie wollen nach Griechenland? nach Patras – zum Herrn Condoguri? – O Baron! – bester Baron!« –
    Der Baron sah hinein in das Blatt, das der Professor ihm dicht vor die Augen hielt, und sank dann wie vernichtet zurück in den Wagen.
    In dem Augenblick kamen die Pferde, der Wagenmeister trat höflich an den Schlag und entschuldigte, daß die Pferde etwas länger ausgeblieben als recht, doch solle nun der Herr Baron in längstens anderthalb Stündchen in Potsdam sein.
    Da schrie der Baron mit entsetzlicher Stimme: »Fort! – zurück nach Berlin – zurück nach Berlin!« – Der Jäger und der Märker sahen sich erschrocken um, der Postillon sperrte das Maul auf. Aber immer heftiger schrie der Baron: »Nach Berlin – hast du Ohren, Schurke! – einen Dukaten Trinkgeld, Bestie, einen Dukaten – aber fahre – fahre wie der Sturmwind – galoppiere, Kanaille – galoppiere, Unglückskind – einen Dukaten bekömmst du.« –
    Der Postillon lenkte um und jagte im brausenden Galopp fort nach Berlin! –
    Der Baron hatte nämlich, als ihm das Haude- und Spenersche Zeitungsblatt in die Hände fiel, eine Kleinigkeit übersehen, d.h. die Jahrszahl. – Ein Stück der vorjährigen Zeitung, ein Makulaturblatt, worin vielleicht etwas eingeschlagen, oder das sonst ein Zufall auf einen Tisch ins Kasino gebracht, hatte er gelesen, und so war eben heute, am vierundzwanzigsten Julius, als der Baron nach Patras abreisen wollte, das Jahr verflossen, das in jener Aufforderung zur Frist bestimmt, nach Griechenland zu reisen oder bei der Madame Obermann in der »Sonne« sich einzufinden und die Entwickelung des Abenteuers abzuwarten.
    Was konnte der Baron nun wohl anders tun, als so schnell als möglich nach Berlin zurück- und einkehren in der »Sonne«, welches er denn auch wirklich tat.
Traum und Wahrheit
    »Welch ein Verhängnis,« sprach der Baron, als er sich in der »Sonne«, und zwar in Nr. 14, auf dem Sofa lang ausstreckte, »welch ein geheimnisvolles Verhängnis treibt sein Spiel mit mir? – War das Patras, wo ich mich befand? – War das Herr Andreas Condoguri, der mir den weitern Weg wies? – Nein! – Zehlendorf war das Ziel meiner Reise – es war der Wagenmeister, der mich hieher wies, und auch der Professor konnte nur der tote Hebel sein, der unbekannte Kräfte in Bewegung setzte!« –
    Der Jäger trat hinein und berichtete, daß selbigen Tages durchaus weiter keine fremde Herrschaft eingetroffen sei. Das schlug den Baron, dem die Entwickelung des Abenteuers, der Aufgang des Geheimnisses die Brust spannte, nicht wenig nieder. Er bedachte indessen, daß der Tag ja bis nach Mitternacht fortdauere und man erst, nachdem es zwölf geschlagen, mit gutem Gewissen schreiben könne: am fünfundzwanzigsten Julius, ja, daß strenge Leute dies erst nach dem Schlage eins täten, und dies gab ihm Trost.
    Er beschloß, mit erzwungener Ruhe auf dem Zimmer bleibend, abzuwarten, was sich ereignen werde, und sah es, unerachtet er an nichts denken wollte als an das schöne Geheimnis, an das holde Zauberbild, das ja sein ganzes Innres erfüllen mußte, doch nicht ungern, als auf den Punkt zehn Uhr der Kellner erschien und einen kleinen Tisch deckte, auf dem bald ein feines Ragout dampfte. Der Baron fand es nötig und seiner innern Stimmung gemäß, ätherisches Getränk zu genießen, und befahl Champagner. – Als er den letzten Bissen eines gebratenen Huhns verzehrt, rief er aus: »Was ist irdisches Bedürfnis, wenn der Geist das Göttliche ahnet!« –
    Damit setzte er sich, Beine untergeschlagen, auf das Sofa, nahm die Chitarre zur Hand und begann neugriechische Romanzen zu singen, deren Worte er mit Mühe aussprechen gelernt, und die nach den selbst komponierten Melodien abscheulich genug klangen, um für etwas sehr Absonderliches und Charakteristisches zu gelten, und weshalb er

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