Werke
faßte den Alten ans Hinterhaupt, und der Baron gewahrte zu seinem nicht geringen Erstaunen, daß sie den Haarzopf abschraubte, den sie dann öffnete wie ein Etui, und Serviette, Messer, Löffel herausnahm. Die Serviette band sie dem Alten um den Hals, wie man es bei Kindern zu tun pflegte, damit sie sich nicht beschmutzen. Der Alte blickte, plötzlich heiter geworden, mit seinen kohlschwarzen Augen die Dame sehr freundlich an und aß mit widrigem Appetit Eis und Kuchen. Jetzt schlug endlich die Dame den Schleier zurück, und in der Tat, man durfte weniger reizbar sein als der Baron, um doch wie dieser ganz hingerissen zu werden von der ausnehmenden Schönheit der Fremden. Mancher hätte vielleicht, nachdem er den ersten Turandotsblick ertragen, behauptet, es fehle dem Gesicht, der ganzen Gestaltung der Fremden jene Anmut, die, alle strenge Regel der Form verspottend, unwiderstehlich siegt, und ein andrer vielleicht vorgeben können, daß der seltsame Isisschnitt der Augen und der Stirn ihm etwas unheimlich bedünken wolle – Genug! – die Fremde mußte jedem für eine gar wunderbare Erscheinung gelten! – Der Baron quälte sich damit, wie er es anfangen solle, sich auf schickliche Weise mit dem fremden Paare in Rapport zu setzen. – »Wie,« dacht’ er endlich, »wenn du den Zauber der Musik ausströmen ließest, um das Gefühl der Schönsten aufzuregen!« – Gedacht, getan, er setzte sich an das schöne Kistingsche Instrument, das bekanntlich in dem Zimmer des Fuchsischen Konditorladens steht, und begann auf eine Weise zu phantasieren, die wenigstens ihm, wenn auch nicht andern, göttlich, sublim vorkam. – Gerade bei einem säuselnden Pianissimo rauschte es im Kabinett, er blickte ein wenig seitwärts und gewahrte, daß die Dame aufgestanden. Dagegen lag oder sprang und hüpfte vielmehr auf dem Platz, wo sie gesessen, der Haarzopf des Alten, bis dieser ihn mit der flachen Hand niederklatschte und laut rief: »Kusch – kusch, Fripon!« – Etwas erschrocken über die seltsame Natur des Zopf-Fripons fiel der Baron sogleich in ein Fortissimo und ging dann über in schmelzende Melodien. Da vernahm er, wie die Dame, verlockt von süßer Töne Gewalt, sich leisen Trittes ihm nahte und hinter seinen Stuhl trat. – Alles, was er bis jetzt Schmachtendes und Zärtliches von allen italienischen Maestros, von allen inis – anis – ellis und ichis gehört, kam an die Reihe. – Er wollte schließen im rauschenden Entzücken, da hörte er dicht hinter sich tief aufseufzen. – »Nun ist es Zeit,« dacht’ er, sprang auf und – blickte dem Rittmeister von B. ins Auge, der sich indessen hinter seinen Stuhl gestellt und nun versicherte, daß der Baron sehr unrecht tue, dem Herrn Fuchs die Gäste zu verscheuchen durch sein entsetzliches Lamentieren und Wirtschaften auf dem Piano. Soeben habe wieder eine fremde Dame alle mögliche Zeichen der Ungeduld blicken lassen und sei endlich mit ihrem Begleiter, einem kleinen possierlichen Mann, schnell entflohen. –
»Was? – entflohen?« – rief der Baron ganz bestürzt, »entflohen aufs neue?« Der Rittmeister erfuhr nun von dem Baron in aller Eil’ genug, um einzusehen, welches interessante Abenteuer unterbrochen. – »Sie ist es – Sie ist es! Ha, meine Ahnung hat mich nicht getäuscht!« So schrie der Baron, da der Rittmeister als etwas Absonderliches bemerkte, daß die Dame eine kleine himmelblaue Brieftasche an einer goldnen Kette um den Hals gehängt gehabt. Herr Fuchs, der gerade in der Türe des Ladens gestanden, hatte gesehen, wie der kleine Alte einen herbeieilenden Halbwagen heranwinkte, mit der Dame hineinstieg und dann wegfuhr mit Blitzesschnelle. Man erblickte noch den Wagen ganz am Ende der Linden nach dem Schlosse zu. –
»Ihr nach – ihr nach!« rief der Baron; »nimm mein Pferd!« der Rittmeister.
Der Baron schwang sich auf und setzte dem mutigen Roß die Hacken in die Rippen, das aber bäumte sich und brauste dann, freie Kraft und freien Willen übend, wie der Sturmwind fort durch das Brandenburger Tor geraden Strichs nach Charlottenburg, wo der Baron wohlbehalten und eben zu rechter Zeit ankam, um bei der Madame Pauli mit mehreren Bekannten ein Abendessen einzunehmen. Man hatte ihn kommen sehen und rühmte allgemein den scharfen und mutigen Ritt um so mehr, da man gar nicht gewußt, daß der Baron sicher und gewandt genug reite, um es mit einer solchen scheuen wilden Bestie aufzunehmen, als des Rittmeisters Pferd es sei. –
Dem Baron war im
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