Werke
Ungemach, an einer Qual, die er leiden müsse (er meinte wohl die ihm von unsichtbarer Hand zugeteilten Ohrfeigen), niemand anders schuld sei, als der alte Nathanael Simson und seine eroberungssüchtige Tochter. Der Rittmeister, dem beide, Vater und Tochter, längst ganz unausstehlich waren, begann wacker auf den alten Juden zu schimpfen, ohne zu wissen, was er denn dem Baron Arges angetan, und auch der Baron erhitzte sich immer mehr, so daß er zuletzt dem Bankier alles, was er erlitten, in die Schuhe schob und fürchterliche Rache beschloß. So ganz Grimm und Zorn, kam der Baron in die Nähe des Simsonschen Landhauses. – Die Freunde hatten nämlich den Weg über des Hofjägers Besitzung eingeschlagen und ritten die Straße neben den Landhäusern herab. Da erblickte der Baron im offnen Vestibüle des Landhauses eine Tafel, an der Nathanael Simson mit seiner Tochter und mehreren Gästen beim Dessert eines reichen Mittagsmahls saß. Schon war die Dämmerung stark eingebrochen, und es wurden eben Lichter gebracht. Da kam dem Baron ein großer Gedanke. »Tue mir,« sprach er leise zum Rittmeister, »tu mir den Gefallen und reite einmal langsam vorwärts, ich will hier mit einemmal allen bösen Streichen des arglistigen Juden und seiner aberwitzigen Tochter ein Ende machen.« »Nur kein dummes Zeug, lieber Bruder, das dich wieder blamiert vor den Leuten,« warnte der Rittmeister und ritt, wie Theodor gewünscht, langsam die Straße herab. Nun näherte sich der Baron leise, ganz leise dem Gitter. Ein überhängender Baum versteckte ihn, daß ihn niemand aus dem Hause gewahren konnte. Hinein rief er mit einer Stimme, der er so viel Tiefdröhnendes, Schauerlich-Gespenstisches gab, als nur in seinen Kräften stand: »Nathanael Simson – Nathanael Simson – frißt du mit deiner Familie? Gift in deine Speise, verruchter Mauschel, es ist dein böser Dämon, der dir ruft!« – Diese Worte gesprochen, wollte der Baron schnell hineinsprengen ins Gebüsch und so wahrhaft geisterartig verschwunden sein. Doch der Himmel hatte einen andern Ausgang des Abenteuers beschlossen. Plötzlich stetisch geworden, bockte und bäumte sich das Pferd, und alles Mühen des Barons, es aus der Stelle zu bringen, blieb ganz vergebens. Nathanael Simson hatte vor jähem Schreck Messer und Gabel fallen lassen – die ganze Gesellschaft schien erstarrt; der das Glas an den Mund gebracht, hielt es fest, ohne zu trinken, der ein Stück Kuchen in der Kehle, vergaß das Schlucken! Als nun aber das Trappeln und Schnaufen und Wiehern des Pferdes vernommen wurde, sprang alles auf vom Tische und rannte schnell ans Gitter. »Ei, ei, sind Sie es, Herr Baron? – Ei, schönen guten Abend, lieber Herr Baron – wollen Sie nicht lieber absteigen, vortrefflichster Dämon!« So schrie alles durcheinander, und das unmäßigste Gelächter erschallte, das jemals gehört worden, während der Baron, ganz Wut und Verzweiflung, sich vergebens abquälte, um sich zu retten aus dieser Traufe von Verhöhnung und tötendem Spott. Der Rittmeister, der den Lärm vernahm und sogleich ein neues Malheur seines Freundes vermutete, kam zurück. Sowie das Pferd des Barons ihn ansichtig wurde, war es, als sei plötzlich der Zauber gelöst, von dem es festgebannt, denn sogleich flog es mit dem Baron dem Leipziger Tore zu, und zwar in keineswegs wildem, sondern ganz anständigem Galopp, der Rittmeister verließ den Freund nicht, sondern galoppierte ihm treulich zur Seite.
»O daß ich nie geboren wäre, o daß ich nimmer diesen Tag erlebt hätte!« rief der Baron tragisch, als beide, er und der Rittmeister, abgestiegen waren vor seiner Wohnung. – »Der Teufel«, sprach er dann, indem er sich mit geballter Faust vor die Stirne schlug, »der Teufel hole das Reiten und alle Pferde dazu. – Die ärgste Schmach, die hab’ ich heute davon erlebt!« – »Siehst du,« sprach der Rittmeister sehr ruhig und gelassen, »siehst du nun wohl, lieber Bruder, da schiebst du wieder etwas aufs Reiten und auf das edle Geschlecht der Pferde, was ganz allein deine Schuld ist. Fragtest du mich erst, ob mein Gaul sich auf dämonische Verschwörungen verstehe, ich hätte Nein! geantwortet, und der ganze Spaß wäre unterblieben.« Schrecklicher Argwohn kam in des Barons Seele, auch gegen Schnüspelpold, denn zu seinem Entsetzen hatte er ihn unter Simsons Gästen bemerkt.
»Herr Baron!
Der gestrige Auftritt vor meinem Gartenhause war bloß abscheulich und lächerlich dazu. Niemand kann sich fühlen
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