Eine Villa zum Verlieben: Roman (German Edition)
Kapitel 1
E ine Rose für meine Liebeszone, bitte«, forderte die Dame im Nerzmantel und sah Nina Korte abwartend an.
»Für Ihre Liebeszone?«, wiederholte die Floristin fragend. Um acht Uhr morgens fühlte sie sich geistig definitiv noch nicht in der Lage, für einen derart merkwürdigen Wunsch Verständnis aufzubringen. Außerdem war sie alles andere als eine Expertin in Sachen Liebe.
»Ah, Sie sind wohl ein Feng-Shui-Fan«, mischte sich Annette ein, um ihrer ratlos dreinblickenden Kollegin aus der Patsche zu helfen. Während sich die beiden wenige Minuten später angeregt darüber unterhielten, welche Rosenart das beste Beziehungskarma und den intensivsten Duft verströmte, zog sich Nina in den kleinen Aufenthaltsraum vom Blumenmeer zurück, um dort einen Espresso zu trinken. Wie so oft, wenn es um die Liebe ging, durchfuhr sie ein schmerzhafter Stich. Traurig wanderten ihre Gedanken zu Gerald. Warum musste es immer noch so weh tun? Würde sie dieses Gefühl jemals wieder loswerden?
Als die Kundin gegangen war, kehrte Nina in den Verkaufsraum zurück, wo Annette sogleich zu einem begeisterten Vortrag über Feng-Shui ansetzte. Offensichtlich hatte sie Gefallen an dem Thema gefunden.
»Ahaaa«, war alles, was Nina dazu einfiel, und sie überlegte, wann ihre Kollegin zur Esoterik konvertiert war. »Seit wann glaubst du denn an so einen Unsinn?«, fragte sie spitz und kontrollierte die Liste der bestellten Sträuße, die in einer halben Stunde abgeholt werden sollten.
»Man muss schon was dafür tun, wenn es mit der Liebe klappen soll. Vielleicht solltest du das auch mal ausprobieren, damit du endlich über Gerald hinwegkommst«, sagte Annette und musterte Nina besorgt. »Die Feng-Shui-Regeln besagen zum Beispiel, dass man niemals in der Mitte des Bettes schlafen sollte, wenn man sich eine Beziehung wünscht. Nur so ist gewährleistet, dass man genug Raum und Platz für eine neue Liebe schafft. Aber wie ich dich kenne …« Annette verstummte, als sie Ninas grimmigen Gesichtsausdruck sah.
»Wie du weißt, habe ich nicht das geringste Interesse an einer neuen Beziehung und werde dementsprechend weiter in der Mitte meines Doppelbettes schlafen«, entgegnete Nina knapp und wandte sich einer älteren Dame zu, die, in Begleitung eines übergewichtigen Mopses, den Laden betrat. »Einmal Spätsommer zum Mitnehmen?«, sagte Nina, die den Geschmack ihrer langjährigen Stammkundin bestens kannte und sich sogleich daranmachte, dunkelrote Dahlien mit leuchtenden Astern und Chrysanthemen zu kombinieren. Zum Schluss wickelte sie farbigen Bast um die Stiele und verpackte den Strauß in knisterndes Seidenpapier. Die Arbeit als Floristin machte ihr Spaß. Trotz langjähriger Berufspraxis war sie nach wie vor mit Feuereifer dabei und liebte es, die hauseigene Homepage zu betreuen und den Kunden unter www.gruenzeug.net Tipps rund ums Thema Pflanzen zu geben. Wenn es nach ihr ginge, bliebe sie den Rest ihres Lebens im Blumenmeer.
Ich hasse dieses Haus!, dachte Leonie Rohlfs, als sie um acht Uhr dreißig in den wackeligen alten Fahrstuhl stieg, von dem sie befürchtete, dass er ihr eines Tages noch den Tod bringen würde. Leonie verfügte über eine recht lebhafte Phantasie.
Ich werde so bald wie möglich hier ausziehen, hatte sie sich seit dem Tag ihres Einzugs immer wieder gesagt – doch das war inzwischen fünf Jahre her! Damals hatte sie sich schweren Herzens von ihrer Heimat, dem Alten Land vor den Toren Hamburgs, getrennt, um stattdessen in die trubelige Großstadt Hamburg zu ziehen, und damit in die Nähe ihres Arbeitsplatzes, des Reisebüros Traumreisen. Leonie mochte den studentischen Stadtteil in Uni-Nähe, aber bisweilen wurden ihr der Lärm, die Autos und die Menschenmassen zu viel. Dann sehnte sie sich nach frischer Landluft und dem Garten ihrer Eltern, mit den knorrigen Bäumen und dem kleinen Ententeich. Nach Eiern von glücklich umherpickenden Hühnern, warmer Kuhmilch und dem Duft von Apfelkuchen, wie nur ihre Mutter ihn backen konnte. Außerdem vermisste sie ihre Katze, die sie schweren Herzens zurücklassen musste, weil es in dem trostlosen Hamburger Mietklotz verboten war, Tiere zu halten. Im Grunde ihres Herzens war sie mit ihren sechsunddreißig Jahren immer noch eine hoffnungslose Romantikerin, die sich nach einer perfekten Welt und ihrem ländlichen Kindheitsidyll sehnte.
Während sich die Fahrstuhltür knarrend schloss, sah sich Leonie in der Kabine um und betrachtete angewidert die Schmierereien,
Weitere Kostenlose Bücher